Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 108, Nr. 22, 16.11.2018, (2608) laurylsulfat eine bakterienhemmende Wir- kung aufweisen. Einfluss von Hydroxylapatit auf Erosionen Erosionen sind im Bereich der Glatt- und Okklusalflächen lokalisiert und entstehen durch direkte Säureeinwirkungen auf die Zahnhartsubstanz. Die Säureexpositionen sind nicht-bakteriellen Ursprungs und kön- nen endogen oder exogen sein. In Bezug auf die Säureart und -stärke, den pH-Wert und die Einwirkzeit können diese Säure- einwirkungen sehr heterogen sein. Sie sind aufgrund der Puffer- und Spülfunktion des Speichels in der Regel kürzer als die nach stoffwechselaktiver Plaque, jedoch ist der pH-Wert oftmals deutlich niedriger. Insge- samt sind erosive Säureexpositionen durch relativ kurzzeitige, jedoch kräftige pH-Wert- Abfälle gekennzeichnet. Diese Art der Säureeinwirkung führt zu Zahnhartsubstanzverlusten, die sich struk- turell ganz grundsätzlich von Karies unter- scheiden. Im Gegensatz zur initialen Karies- läsion, die durch die nahezu intakte Ober- flächenschicht und dem darunterliegenden Läsionskörper charakterisiert ist, entstehen erosive Läsionen durch einen schichtweisen Abtrag von Zahnhartsubstanz. Histologisch findet sich lediglich eine teilweise ent- mineralisierte Oberfläche, die bei Schmelz- erosionen einem Ätzmuster ähnelt und bei Dentin durch offene Tubuli und teilweise freigelegte Kollagenfasern gekennzeichnet ist. Erosionen weisen also keine nennens- werten remineralisierbaren Strukturen auf. Wirkstoffe zur Prävention von Erosionen zie- len daher nicht auf die Remineralisation ab, sondern müssen die Zahnoberfläche resis- tenter gegenüber Säureangriffen machen. Weiterhin müssen solche Wirkstoffe auch unter mechanischen Einwirkungen, etwa beim Zähneputzen, effektiv sein. In Bezug auf Fluoride konnte gezeigt wer- den, dass das Fluoridion in Verbindungen mit polyvalenten Metallkationen (Ti 4+ oder Sn 2+ ) diese Anforderungen erfüllt und eine deutlich bessere antierosive Wirkung hat als Natrium- oder Aminfluorid. Die gute Wirk- samkeit von zinn- und fluoridhaltigen For- mulierungen ist in der Anreicherung von Zinnsalzen auf und in der Zahnhartsubstanz begründet. Diese Reaktionen finden sowohl unter Laborbedingungen als auch in der Mundhöhle statt. Zur Prävention der Pro- gression von Erosionen sollten daher zinn- und fluoridhaltige Präparate empfohlen werden [Carvalho et al., 2015]. Hydroxylapatit soll nun erodierte Zahnhart- substanzen reparieren und vor weiterer ero- siver Demineralisation schützen. Dazu muss der Wirkstoff zunächst einmal auf der Zahn- oberfläche präzipitieren. Unter Laborbedin- gungen ist es grundsätzlich sehr einfach, aus übersättigten Kalzium/Phosphatlösungen mineralische Präzipitate zu erzielen. Daher ist es gut vorstellbar, dass die Einwirkung von Hydroxylapatit-Slurries oder Spüllösun- gen auf erodierten Zahnoberflächen zur Präzipitation von Mineral führt. Unter Mundbedingungen verhindern bestimmte Speichelproteine (besonders Statherin und seine Untereinheiten), dass solche Mineral- niederschläge auf sauberen Zahnoberflächen entstehen können [Tamaki et al., 2002; Xiao et al., 2015]. Ob nun Hydroxylapatit-Partikel unter Mundbedingungen überhaupt auf Zahnoberflächen adsorbieren können und dort eine zumindest unter neutralen Bedin- gungen dauerhafte Beschichtung darstellen können, wurde bislang nicht überzeugend gezeigt. Nach einem Säureangriff lassen sich jedoch offenbar keine Hydroxylapatit-Präzi- pitate nachweisen [Kensche et al., 2016]. Ähnlich wie das Schmelzmineral sind Kalzium-/Phosphatpräzipitate jedoch relativ leicht säurelöslich, so dass man davon aus- gehen kann, dass solche Mineralnieder- schläge, wenn überhaupt, nur bedingt pro- tektiv wirken können. Es ist daher fraglich, ob diese Strategie im Zusammenhang mit der Erosionsprävention plausibel ist. Die Experimente, die die Effekte von HAP in einem zyklischen Erosionsmodell untersucht haben, konnten dementsprechend keine oder nur geringe Effekte von HAP-Formulie- rungen zeigen [Aykut-Yetkiner et al., 2014; Ganss et al., 2011; Ganss et al., 2016]. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Hydroxylapatit als alleiniger Wirkstoff bislang nicht zur Erosionsprävention und -therapie empfohlen werden kann. Schlussfolgerungen Die Untersuchung unterschiedlicher Hydroxyl- apatit-haltiger Präparate ist durchaus von wissenschaftlichem Interesse. Insgesamt ist deren karies- oder erosionspräventive Wirkung jedoch bislang nicht belegt. Dazu bedürfte es zunächst weiterer Studien in adäquaten In-vitro-/In-situ-Modellen sowie klinischer Untersuchungen in einem größeren Bevöl- kerungsspektrum. Im Unterschied dazu ist die kariespräventive Wirksamkeit von Fluoriden mit hoher Evidenz belegt. Bei Berücksichtigung der üblichen Anwendungsempfehlungen, wie sie etwa in der Leitlinie „Fluoridierungs- maßnahmen zur Kariesprophylaxe“ oder in der Leitlinie „Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen“ beschrieben sind, besteht keinerlei toxikologisches Risiko. An dieser Stelle sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass Leitlinien zwar nicht rechtlich bindend sind, dass ihnen de facto jedoch eine gewisse Ver- bindlichkeit zukommt [Nölling, 2014]. Prof. Dr. Carolina Ganß Poliklinik für Zahnerhal- tungskunde und Präven- tive Zahnheilkunde Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Justus-Liebig-Universität Gießen Schlangenzahl 14 35392 Gießen Prof. Dr. Elmar Hellwig Klinik für Zahnerhal- tungskunde und Parodontologie Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg Prof. Dr. Joachim Klimek Fähnrichsweg 18 35039 Marburg Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Alle Porträts: privat 44 Hydroxylapatit in Zahnpasten
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