Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 108, Nr. 22, 16.11.2018, (2646) Diskussion Die radikuläre Zyste macht über die Hälfte aller Kieferzysten aus und zählt damit zu den häufigsten odontogenen Kieferzysten. Im Bereich des Oberkiefers treten sie insbe- sondere im anterioren Bereich auf [Shear, 1994]. Bei der radikulären Zyste handelt es sich um eine inflammatorische Zyste, die im Bereich des Periapex eines avitalen Zahnes aus einem apikalen Granulom entsteht. Der chronisch entzündliche Reiz kann eine Proliferation von residuellen epithelialen Malassez’schen Zellnestern induzieren. Es kommt zur Entstehung einer platten- epithelial ausgekleideten Zyste [Bakos et al., 2014]. Klinisch bleiben radikuläre Zysten im Oberkieferbereich, sofern nicht infiziert, in der Regel zunächst asymptomatisch. Bei Größenprogredienz kann es zur Schwellung, Verdrängung und Lockerung von Zähnen sowie bei Ausbreitung in die Kieferhöhle zu einer sinusitischen Symptomatik oder einer Sensibilitätsstörung des Nervus infraorbitalis kommen [Sagit et al., 2011]. Als diagnostische Mittel werden neben der sorgfältigen Befunderhebung verschiedene radiologische Untersuchungen diskutiert: Die Orthopantomografie stellt nicht die erste Wahl bei der Röntgendiagnostik der Kiefer- höhlen dar, da eine Beurteilung der Kiefer- höhlen nur im basalen Anteil unter Ein- schränkungen möglich ist. Ebenso wird die okzipito-mentale Schädelaufnahme (NNH) nicht in erster Linie empfohlen, weil die genaue Lokalisation möglicher Befunde auf- nahmebedingt ausgeschlossen ist. Zur exakten Beurteilung der Kieferhöhlen werden heute dreidimensionale Verfahren empfohlen. Die niedrige Strahlenexposition ist bei der DVT und der CT im Niedrigdosisprotokoll mitein- ander vergleichbar. Beide Verfahren eignen sich zur Klärung von Fragestellungen im Hoch- kontrastbereich und werden als diagnostische Mittel empfohlen [Keutel et al., 2014]. Histologisch zeigt sich das Bild einer platten- epithelial ausgekleideten Zyste mit Pro- liferation der Reteleisten und chronischer plasmazellreicher und florider Entzündung [Bakos et al., 2014]. Atypisch beim vorlie- genden Fall ist die der Zyste angrenzende ausgeprägte Knochenneubildung im Bereich der Kieferhöhle, die als Folge einer länger bestehenden, chronisch floriden Entzündung zu werten ist. Differenzialdiagnostisch sind nicht-odonto- gene Zysten der Kieferhöhle (wie Mukozelen und Schleimretentionszysten), odontogene Tumore (wie die Keratozyste), das Amelo- blastom, das odontogene Myxom, ein Osteom, das ossifizierendes Fibrom oder ein Zementoblastom abzugrenzen. Bei großen Prozessen der Kieferhöhle ist die Entfernung des Befunds über einen transantralen, osteoplastischen Zugang mit Replantation des Knochendeckels ange- zeigt. Können Zähne als Fokus identifiziert werden, so sollten diese einer chirurgischen Therapie zugeführt werden [Reinert und Krimmel, 2014]. Dr. Dr. Valentin Wiedemeyer Abteilung für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichts- chirurgie des Uniklinikums Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn Valentin.wiedemeyer@ukbonn.de Dr. Nils Heim Abteilung für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichts- chirurgie des Uniklinikums Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn Dr. Dr. Markus Martini Abteilung für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichts- chirurgie des Uniklinikums Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn \ Knochendichte Raumforderungen der Kieferhöhle können vielfältiger Genese sein. \ Die zahnärztliche klinische Unter- suchung kann erste Hinweise auf die vorliegende Entität liefern. \ Für die Diagnostik und die Operations- planung gelten DVT und Computer- tomografie als Standard. \ Postoperativ werden röntgenologische und klinische Kontrollen empfohlen, Richtlinien bezüglich zeitlicher Intervalle existieren nicht. Fazit für die Praxis Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Abbildung 5: Histologisches Präparat (HE): reaktive Knochenneubildung (Osteosklerose) (Pfeile), die lamellär ausgereift und somit Folge eines chronisch-entzündlichen Reizes ist Abbildung 6: Histologisches Präparat (HE): respiratorisches Epithel (Pfeil) und Platten- epithel-bedeckte Schleimhaut mit ausgepräg- ter und dichter lympho-plasmazellulärer Entzündungsreaktion (Stern) Alle Porträts: privat 82 Zahnmedizin
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