Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 108, Nr. 23, 1.12.2018, (2760) -24, 1 12.2018, (2760) scheint präventiv gegen eine skelettale Adaptation und gegen eine Persistenz des Kreuzbisses in die permanente Dentition zu wirken [Harrison, 2001]. Das Überstellen des lateralen Kreuzbisses durch transversale Weitung des Oberkiefers kann beispielsweise mittels forcierter Gaumennahterweiterung [Köbel, 2017] erfolgen und wirkt sich neben einer Verbesserung der respiratorischen Situation günstig auf die Beseitigung skelet- taler und dentoalveolärer Asymmetrien aus [Hesse, 1997; Santos Pinto, 2001] (Abbil- dung 3). Die kieferorthopädische Frühbehandlung hat ihren Stellenwert in der präventions- orientierten Zahnmedizin im Sinne der Vermeidung von Gebissfehlentwicklungen beziehungsweise der Unterbrechung pro- gredienter, durch genetische und/oder dysfunktionelle Abweichungen bedingter Entwicklungen. Die relevanten frühen Zahn- und Kieferfehlstellungen Kreuzbiss, Anomalie des progenen Formenkreises, Angle-Klasse II,1, offener Biss und primärer Engstand werden im Hinblick auf die Risiko- abschätzung präsentiert und bezüglich ihrer früh zu eliminierenden Faktoren (die Morphologie und die Funktion betreffend) erläutert. Frontaler Kreuzbiss / progener Zwangsbiss / skelettale Klasse III In der Gruppe des progenen Formenkreises werden Zahn- und Kieferfehlstellungen unterschiedlichster Ätiologie zusammenge- fasst. Diese können durch ein Missverhältnis im Wachstum beider Kiefer bedingt sein, das heißt durch Überentwicklung (Makro-/ Prognathie) des Unterkiefers und/oder Unterentwicklung (Mikro-/Retrognathie) des Oberkiefers [Rakosi, 1989]. Besteht ein frontaler Kreuzbiss von Einzelzähnen oder einer ganzen Zahngruppe wird der Ober- kiefer durch den Unterkiefer „eingefangen“, das heißt durch die palatinalwärts positio- nierten OK-Inzisiven wird das Oberkiefer- wachstum im Alveolarfortsatzbereich ge- hemmt sowie das Unterkieferwachstum „freigegeben“, da der Unterkiefer sich post- natal in sagittaler Richtung ohnehin stärker als der Oberkiefer entwickelt [Lux, 2004]. Zudem kann eine Zwangsbissführung des Unterkiefers nach ventral vorliegen [Keeling, 1998]. Diese kann zusätzlich zu einer unerwünschten Wachstumsstimulation des Unterkiefers mit nachfolgender skelettaler Manifestation führen. Mit einem therapeu- tisch eingestellten sicheren frontalen Über- biss (sagittal und vertikal) kann die weitere Kieferentwicklung koordinierter ablaufen (Abbildung 4). Die Anomalien des progenen Formenkreises besitzen häufig auch eine hereditäre Komponente, wobei unphysio- logische Ruheweichteilbeziehungen oder Dysfunktionen den Phänotyp deutlich ver- stärken können. Da bei Klasse-III-Dysgna- Abbildung 3a: Ausgangsbefund eines 7 Jahre und 4 Monate alten Jungen: unilateraler Kreuzbiss links mit deutlicher Abweichung des Unterkiefers hin zur Kreuzbissseite (links) in habitueller Okklusion Abbildung 3b: Forcierte Gaumennahterweite- rungsappartur (zementierte Kappen-Schiene) in situ: Wichtig: plane Aufbisse für die Ent- kopplung des Unterkiefers. Bereits unmittelbar nach dem Einsetzen der Apparatur beginnt der Unterkiefer, wieder in Richtung der physiologischen Position einzuschwenken. Abbildung 3c: Nach der forcierten Weitung des Oberkiefers (Aktivierung 2x/d für 14 Tage) blieb die Apparatur zur Stabilisierung acht Monate in situ. Der seitliche Kreuzbiss ist sicher überstellt und der Unterkiefer hat eine mittige Position eingenommen. Abbildung 4a: Anfangsbefund eines 6 Jahre und 11 Monate alten Jungen: sagittal und transversal unterentwickelter Oberkiefer, frontaler Kreuzbiss (inkl. der Milch-Eckzähne) und zusätzliche gering mesiale Zwangsbiss- Führung Abbildung 4b: Im Alter von 7 Jahren und 2 Monaten wurde ein Funktionsregler nach Fränkel Typ FR-3 eingesetzt. Durch die ab- stehenden Lippenpelotten und Bukkalschilde im Oberkiefer kommt es zur Dehnung der zirkumoralen Weichteilkapsel. Abbildung 4c: Endbefund nach 2 Jahren Frühbehandlung mit dem FR-3: Es kann mit einer physiologischen Gebissentwicklung ge- rechnet werden, eine weitere Überwachung ist jedoch notwendig. a b c a b c 44 Fortbildung Kieferorthopädie

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