Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 108, Nr. 23, 1.12.2018, (2764) -24, 1 12.2018, (2764) im Oberkiefer und dort überwiegend in der Region der mittleren Schneidezähne [Bodin, 1978]. Ein zeitlich deutlich verzögerter oder ausbleibender Durchbruch eines mittleren oberen Inzisivus kann ein Hinweis auf ein Durchbruchshindernis sein und sollte röntge- nologisch abgeklärt werden (Abbildung 7)! Eine Aplasie des mittleren oberen Schneide- zahns ist mit einer Prävalenz von 0,01–0,04 Prozent extrem selten [Polder, 2004]. Als letzte Zähne der ersten Wechselgebiss- periode brechen die lateralen oberen Inzisiven im Alter von circa acht Jahren durch. Da diese Zähne nach den unteren Fünfern am zweithäufigsten nicht angelegt sind [Polder, 2004], sollte bei Milchzahn- persistenz beziehungsweise ausbleibendem Durchbruch differenzialdiagnostisch eine Übersichtsaufnahme angefertigt werden. II. Ruhephase des Zahn- wechsels und zweite Wechselgebissphase \ Beurteilung der Platzverhältnisse In dieser Phase der Entwicklung sollte ein besonderes Augenmerk auf die Platzverhält- nisse in den Stützzonen gelegt werden, die wie beschrieben vomMilcheckzahn und den beiden Milchmolaren eines Quadranten gebildet werden. Diese Zähne sichern die Distanz zwischen den bereits durchgebro- chenen permanenten seitlichen Inzisiven und dem Sechsjahrmolaren und somit den Raum für die später durchbrechenden per- manenten Eckzähne und Prämolaren. Nach einem frühzeitigen Milchzahnverlust in der Stützzone kann es zu einer Elongation der antagonistischen Zähne kommen. Zudem besteht die Gefahr der Mesialwanderung des Sechsjahrmolaren. Durch diese Ver- ringerung der Zahnbogenlänge kann ein Platzmangel für die später durchbrechen- den Prämolaren beziehungsweise für den Eckzahn resultieren [Northway, 2000]. Da- her wird bei frühzeitigem Milchzahnverlust, insbesondere bei Verlust der zweiten Milch- molaren oder der Milcheckzähne, das Ein- gliedern eines Lückenhalters empfohlen [DGZMK, 2004] (Abbildung 8). \ Beurteilung der Okklusion Extreme Klasse-II-Anomalien mit stark ver- größerter Frontzahnstufe Eine weitere Indikation für eine kieferortho- pädische Frühbehandlung, gegebenenfalls bereits in der ersten Wechselgebissphase oder Ruhephase des Zahnwechsels, kann die ausgeprägte Rücklage des Unterkiefers (mandibuläre Retrognathie), vergesellschaftet mit einer extrem vergrößerten Frontzahnstufe darstellen (Abbil- dung 9a), [DGKFO, 2000]. Durch die sagittale Lagedifferenz zwischen Ober- und Unterkiefer mit extrem großer Frontzahnstufe zeigt sich klinisch häufig eine Einlagerung der Unterlippe palatinal der Ober- kieferschneidezähne, ein kompe- tenter Lippenschluss ist hier oft nicht möglich [Fränkel, 1992] (Abbildung 9b). Weiterhin besteht für die permanenten Oberkiefer- frontzähne durch ihre exponierte Position eine wesentlich höhere Gefährdung durch traumatische Einflüsse [Koroluk, 2003; Schopf, 1989]. Untersuchungen von Bauss et al. [Bauss, 2008; Bauss, 2004] und Shulman und Peterson [Shulman, 2004] zeigen, dass eine ver- größerte Frontzahnstufe die Gefahr eines Frontzahntraumas signifikant erhöht und zudem bei fehlender Lippenabdeckung der Schneidezähne der Schweregrad des Front- zahntraumas deutlich zunimmt. Für den individuellen Fall ist es also notwendig, das jeweilige Traumarisiko unter Berück- sichtigung der Vorgeschichte des Patienten, seiner Aktivitäten und seiner dentalen und Weichteilmorphologie einzuschätzen. Moderate Klasse-II-Anomalien können gut in der zweiten Wechselgebissphase thera- peutisch angegangen werden, zum Beispiel auch mit funktionskieferorthopädischen Apparaturen wie dem Aktivator und seinen Modifikationen. \ Überwachung der Dentition Ein besonderes Augenmerk erfordern gene- rell ankylosierte Milchzähne, die die weitere Kieferentwicklung behindern können. Die klinische Bewertung eines ankylosierten Milchzahns hängt stark mit dem noch zu er- wartenden Wachstum im Alveolarfortsatz- bereich zusammen – ist ein Großteil dieses Wachstums bereits erfolgt, können ankylo- sierte Milchzähne gegebenenfalls auch be- lassen und beobachtet werden. Da jedoch beim jungen Patienten und beim frühen Eintreten der Ankylose infolge dieser Zahn- Knochen-Verbindung in dem Areal das vertikale Alveolarfortsatz-Wachstum sistiert, Abbildung 8: Zustand nach kariesbedingter Extraktion der Milchmolaren im Unterkiefer im Alter von 8 Jahren und 6 Monaten: Der Durchbruch der Prämolaren ist erst in ein bis zwei Jahren zu erwarten. Der Platz muss mittels Lückenhalter gesichert werden. Abbildung 9a: Patientin im Alter von 9 Jahren 3 Monaten mit ausgeprägter UK-Rücklage und extrem vergrößertem Overjet a Abbildung 9b: Inadäquate Lippenbedeckung der oberen Schneidezähne bei fehlendem Lippenschluss b 48 Fortbildung Kieferorthopädie

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