Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 108, Nr. 23, 1.12.2018, (2808) -24, 1 12.2018, (2808) überkappung ist MTA erfolgreicher [Aguilar et al., 2011]. Laut Nazzal sind aber wichtige erfolgsrelevante Fragen noch offen, etwa ein Grenzwert für die Größe der Pulpeneröffnung. Eine exponierte Kronenpulpa lässt sich auch bei Milchzähnen in vielen Fällen erfolgreich amputieren. Biologie, aber auch Behandlung und Materialien sind laut Dr. Richard Steffen (Universitäres Zentrum für Zahnmedizin, Basel) grundsätzlich dieselben wie bei bleibenden Zähnen. Die Amputation erfolgt wegen des geringeren Odontoblastentraumas mit schnell laufenden Diamantschleifern und Spraykühlung [Sluka et al., 1981]. Die Wurzelpulpa bleibt laut Steffen häufig lange entzündungsfrei. Erkennbar sei dies an der hellroten Blutung aus den Wurzeln, die nach ein bis zwei Minuten sistieren sollte (Wattepellet, NaOCl-Lösung). Die Wunde wird nach Steffens Literatur- recherche am besten mit einem hydrau- lischen Silikatzement versorgt, zum Beispiel einem weiterentwickelten MTA-Material (Mineral Trioxide Aggregate) oder Kalzium- silikat-Zement (Biodentine). Letzteres bindet im Gegensatz zu MTA auch unter sauren Bedingungen ab. Die Therapiemöglichkeiten von Milchzähnen nach endodontischer Behandlung hängen nach Prof. Dr. Katrin Bekes (Wien) unter anderem von der Kooperationsfähigkeit und dem Gebisszustand des Kindes, aber auch von der Kompetenz des zahnärztlichen Teams ab. Wichtig sei – wie bei bleibenden Zähnen – eine dichte, mechanisch dauerhafte Restau- ration. Die beste Prognose haben nach Bekes Stahlkronen und je nach Defektgröße adhä- sive Kompositfüllungen [Chisini et al., 2018; Maupome et al., 2017]. Bei bleibenden Zähnen führt laut PD Dr. Kerstin Bitter (Berlin) vor allem ein Substanzverlust dazu, dass nach endodontischer Behandlung Frakturen auftreten. Entsprechend seien sub- stanzschonende Restaurationen indiziert, im Seitenzahnbereich mit Höckerüberkappung oder als Endokrone. Wird gegen Scherkräfte ein Wurzelstift verwendet, gebe es keine kla- ren Daten für ein bestimmtes Material. Eine substanzschonende Präparation und die kor- rekte Adhäsivtechnik seien auch bei Wurzel- stiften von großer Bedeutung für den Erfolg. Die MIH symptom- und defektbezogen behandeln Wie im Rahmen eines separaten Symposiums der DGKiZ erläutert wurde, sollte die immer häufiger zu beobachtende Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation (MIH) symptom- und defektbezogen behandelt werden. Ein Bei- spiel ist das abgestufte Würzburger Konzept [Bekes et al., 2016]: \ Prävention mit guter Mundhygiene, Fluo- riden, CPP/ACP \ Versiegelung freiliegenden Dentins mit MDP-haltigen Adhäsiven (Schmelzhaftung wegen MIH problematisch [Krämer et al., 2018]) \ Direkte Restauration mit Glasionomeren oder adhäsiven Kompomeren und Kompo- siten (Restaurationsrand im Gesunden) \ Versorgung Seitenzahnbereich: konfek- tionierte Stahl- oder individuell hergestellte Komposit- oder keramische Kronen (mög- lichst als Teilkronen, konventionell oder CAD/CAM) \ Versorgung Frontzahnbereich: adhäsives Komposit, Non-Prep-Veneers (erst nach Durchbruch der Eckzähne) \ Extraktion (Einordnung zweiter Unterkiefer- molaren mit dem Kieferorthopäden abklären) Die Ätiologie von MIH ist laut Prof. Dr. Jan Kühnisch (München) noch immer ungeklärt. Weiter zu erforschende Hinweise gebe es je- doch beim Thema Antibiotika. Diese stehen im Verdacht, das Kristallitwachstum zu be- schleunigen, ohne dass eine reife und damit belastbare Schmelzstruktur entstehen kann. Für eine ätiologische Rolle spricht laut Kühnisch eine größere MIH-Häufigkeit bei Kindern mit Atemwegs- und anderen Erkrankungen, die vermehrt mit Antibiotika behandelt wurden [Kühnisch et al., 2014; Wuollet et al., 2016]. Eine Reihe weiterer Vorträge zur restaurati- ven Zahnerhaltung gab es in Dortmund bei parallelen Veranstaltungen von Fachgesell- schaften und Sponsoren. So betonte Prof. Dr. Bart van Meerbeek (Leuven, Belgien) beim „3. Tag der Wissenschaft und Universitäten“ der DGZ, dass MDP als antibakterieller Wirk- stoff in Adhäsiven funktioniert, eine Remine- ralisation aber schwierig zu erreichen sei. Der Forscher präsentierte ein eindrucksvolles Video, in dem mithilfe spezieller REM-Tech- niken der adhäsive Verbund – einschließlich klinisch relevanter undichter Bereiche – drei- dimensional dargestellt wird. Van Meerbeek empfiehlt, beim Kauf von Adhäsiven auf lang- fristige klinische Dokumentation zu achten (bis zu 13-Jahres-Daten verfügbar). Die biomechanischen Eigenschaften direk- ter Restaurationen dürfen auch bei neuen, sogenannten bioaktiven Kompositen nicht beeinträchtigt werden. Prof. Dr. Roland Frankenberger aus Marburg forderte, die Themen Box Elevation, Füllungsreparaturen und Exkavation weitergehend zu erforschen. Hierfür seien Multizenterstudien hilfreich, da einzelne Zentren keine ausreichenden Fallzahlen generieren könnten. Bei Caries profunda und noch intakter Pulpa ist eine Remineralisierung aus der Pulpa „Biologie und Mate- rialien sind gleich“: Dr. Richard Steffen (Basel) empfiehlt bei vitalen Milch- und bleibenden Zähnen mit Pulpabeteiligung die Amputation der Kronenpulpa. Foto: DGZ „Keramische Kronen nur bei avitalen Zähnen“: Prof. Dr. Karin Bekes (Wien) fasste die restaurativen Möglichkeiten in der Milchzahnendodontie zusammen. Foto: DGKiZ – DGZ GbR/ Appelhans Antibiotika als mög- licher ätiologischer Faktor von MIH: Prof. Dr. Jan Küh- nisch (München) verwies auf Ergeb- nisse eigener und finnischer Studien. Foto: DGKiZ – DGZ GbR/ Appelhans „Mehr Multizenter- studien“: Für praxis- relevante Informationen in der restaurativen Zahnerhaltung forderte Prof. Dr. Roland Fran- kenberger (Marburg) institutsübergreifende Forschung. Foto: DGKiZ – DGZ GbR/ Appelhans 92 Zahnmedizin

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