Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 109, Nr. 01-02, 16.1.2019, (17) Aus ganz Europa liegen besorgniserregende Berichte über Fremdkapital-gesteuerte Dentalketten vor, die von un- ethischen Praktiken und unzu- lässigem Druck auf Zahnärzte zeugen. Dies hat großes Leid bei den Patienten verursacht, die falsch behandelt und mut- willig getäuscht wurden, und in einigen Ländern bereits zu Gerichtsverfahren geführt. Auch in Deutschland sind die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags und die freie Zahnarztwahl bedroht durch den ungehinderten Zustrom versorgungsfremder Investoren. Schauen wir auf unsere Nachbarn: In Dänemark beträgt der Markt- anteil der Dentalketten bereits 7 Prozent, in den Niederlanden 10 Prozent. Ganz vorne: Groß- britannien (24 Prozent), Spanien (25 Prozent) und Finnland (35 Prozent). In Spanien beschäftigte die einem Großinvestor gehörende Dental- kette iDental über 2.500 Mitarbei- ter. Die mittlerweile zwangsweise geschlossene Kette setzte auf massive Werbekampagnen in den Medien, um Patienten in die Irre zu führen. So bot iDental bedürfti- gen Patienten 60 bis 100 Prozent Preisnachlass auf die Behandlungs- kosten. Allerdings wurden diese Preisnachlässe für Leistungen gewährt, die zu stark überhöhten Preisen angeboten worden waren. Zudem wurde Zeitdruck aufgebaut, um die Patienten zu einer Behandlung zu „überreden“. Mehr als 350.000 Geschädigte blieben zurück. Je mehr Marktmacht Dentalketten gewin- nen, desto mehr hängt die Versorgungs- sicherheit von einzelnen Anbietern ab. In Großbritannien erwarb die Carlyle Group in den vergangenen sieben Jahren mit kreditfinanzierten Aufkäufen 237 Zahnarzt- praxen. Heute ist die Kette Mydentist in Europa Marktführer: mit über 660 Stand- orten – und gravierenden finanziellen Pro- blemen. Wie die „Times“ schreibt, spekulie- ren Banker bereits über einen Zusammen- bruch der Zahnarztkette. Sollte Mydentist tatsächlich bankrott gehen, wären landes- weit auf einen Schlag vier Millionen Patienten betroffen. Aus Frankreich kommen weitere Negativ- Schlagzeilen. So setzten einige Ketten auf aggressive Marketingkampagnen, um den Patienten Versorgungen zu überhöhten Preisen anzudrehen. Boni für Vertragsabschlüsse, Verkäufer, die Implantate setzten, eklatante Hygiene- mängel: In Frankreich zieht der Skandal um die bankrotte Dentalkette Dentexia Kreise. Patienten wurden dazu gedrängt, sich für Implantate zu verschulden – und erhielten dafür keine oder eine schlechte Versorgung. Der Gründer sitzt mittlerweile im Gefängnis. Aber was ist mit den 3.000 Betroffenen? Auch beim Blick über den Teich hätte man seit Längerem gewarnt sein können: In den USA erregte die Dentalkette Small Smiles Dental Centres Aufsehen. Eine Unter- suchung des US-Senats 2011 bewies, dass die Dentalkette unnötige Behandlungen durchgeführt hatte, die erheblich unter den anerkannten Qualitätsstandards lagen. Den Patienten, meist Kinder, wurden schwerwiegende Schäden zugefügt, da der Profit über die Patientenversorgung gestellt wurde. Doch nicht nur die Patienten sind geschä- digt. Beim Dachverband der Europäischen Zahnärzte (CED) gingen Beschwerden von in Dentalketten angestellten Zahnärzten ein, die täglich mehr als zwölf Stunden arbeiten mussten, teils ohne Bezahlung. Ge- setzliche Regelungen zu Pausen und arbeits- freien Zeiten wurden nicht eingehalten. Auch klinische Ziele, wie Quoten für einge- setzte Implantate, wurden den Zahnärzten auferlegt. Studien gibt es bisher wenige. Eine Unter- suchung kommt aus Großbritannien: Hier hat die British Dental Association (BDA) die Arbeitszufriedenheit von Zahnärzten aus der Praxis mit der von Zahnärzten aus Dentalketten verglichen. Ergebnis: Zahnärzte aus der Praxis verfügen über deutlich mehr Autonomie und Entscheidungsfreiheit als Zahnärzte aus Dentalketten. Auch fühlten sich die in Ketten tätigen Zahnärzte weniger sicher und zufrieden. nb Die Negativ-Schlagzeilen häufen sich Frankreich: Nicht-Zahnärzte, die implantieren. Spanien: Praxen, die zum Schutz der Patienten zwangsweise von der Polizei geschlossen werden. Großbritannien: Vier Millionen Patienten, die auf einen Schlag von der Insolvenz einer einzigen Dentalkette bedroht sind. Der Blick nach Europa zeigt, was passiert, wenn Dentalketten die Versorgung bestimmen. Insider und Betroffene berichten. In der zm 3/2018 kommen die Dental- ketten-Betreiber selbst zu Wort und er- klären, wie sie eine nachhaltige Versor- gung garantieren wollen. Das sagen die Dentalketten-Betreiber N ÄCHSTES H EFT \ Großbritannien: Endstation Versorgungszentrum Seite 20–25 \ Frankreich: Das Unternehmen Dentexia Seite 26–28 \ Schweiz: Konstant ist nur der Eigentümerwechsel Seite 30–31 \ CED-Statement: Wie Dentalketten die Versorgung zerschlagen Seite 32–35 Lesen Sie in diesem Heft 19 Dentalketten in Europa

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