Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 109, Nr. 01-02, 16.1.2019, (18) Die in Deutschland seit einiger Zeit in ver- schiedenen Medien diskutierte Übernahme von Zahnarztpraxen durch Praxisketten und ihre Ausbreitung sind kein Naturereignis. Vielmehr sind sie das Resultat eines Geset- zes, von dem Politiker einst behaupteten, es sei dazu da, um Versorgungsproblemen auf dem Land entgegenzuwirken. Gut gemeint ist bekanntlich nicht gut gemacht, und der Versuch, Gutes zu tun, endete mehr als ein- mal in der Katastrophe. Wer an dieser Stelle bereits denkt, dass eine solche Argumentation ein bisschen über- trieben sei, der gibt sich als jemand zu er- kennen, der nicht ansatzweise eine Ahnung davon hat, wie zahnärztliche Praxisketten in Deutschland die Ausübung der Zahnmedi- zin, die Versorgungsqualität von Patienten, die Therapiefreiheit der Behandler und die Arbeitsbedingungen für Helferinnen ver- ändern werden. Denn um das zu verstehen, muss man nicht nur über die Grenzen Deutschlands schauen, sondern in gleichem Maße die Fähigkeit besitzen, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Veränderungen im Lande selbst seit den 1990er-Jahren wahrzunehmen. Seit „Die-Rente-ist-sicher“-Blüm wollte jeder Gesundheitsminister seine Marke setzen. Spätestens mit Seehofer war so ziemlich auch dem letzten Kassenzahnarzt klar, wo- hin die Reise gehen muss, sollte die eigene Praxis wirtschaftlich gesund in die Zukunft geführt werden. In zunehmenden Maße wurden Privatleistungen angeboten, einige mehr, andere weniger sinnvoll. Patienten wurden für ihre Zahngesundheit sensibili- siert, die Medien unterstützten diese Ver- änderungen. Mit Fortschritten in der Im- plantologie öffneten sich nicht nur neue und interessante Behandlungsoptionen, sondern ebenso zusätzliche Möglichkeiten aufseiten der Praxiseinnahmen. Vom Ausland aus betrachtet hat sich die Zahnmedizin in Deutschland im euro- päischen und im Weltmaßstab auf eine Spitzenposition vorgearbeitet: Das Gesund- heitssystem ist verglichen mit anderen Län- dern finanziell gut ausgestattet, es gibt her- vorragend ausgebildete, an Weiterbildung interessierte Kolleginnen und Kollegen mit einer Praxisausstattung auf sehr hohem Niveau und motivierten, sich fortbildenden Helferinnen. Patienten sind gern bereit, für Leistungen dazuzuzahlen. Hervorragend – als Investor – sich jetzt die gesetzlichen Mög- lichkeiten im System zunutze zu machen. Einzelpraxis in der Pampa? Harakiri für Zahnärzte Ganz anders sieht es zur gleichen Zeit im Vereinigten Königreich aus. Ein unter- versorgtes und unterfinanziertes System der Zahnheilkunde innerhalb des National Health Service (NHS). Neben Geldern, die in unendlichen Tiefen eines bürokratischen Kraken versenkt werden, sorgte 2006 eine Reform der zahnärztlichen Gebührenordnung für eine weitere Verschlechterung der Lage. Eröffnete irgendwo auf dem flachen Land eine Zahnarztpraxis, bildeten sich nicht sel- ten Patientenschlangen bis zum Horizont. Der NHS war bestrebt, die Zahl der Zahn- arztpraxen zu erhöhen, allerdings glich es einem wirtschaftlichen Harakiri, als Zahn- arzt in einer unterversorgten Region eine Einzelpraxis aufzumachen. Das lag am neu geschaffenen Gebührensystem für Zahn- ärzte. Nicht mehr individuelle Abrechnungs- positionen wurden von nun an vergütet, sondern vier Behandlungsgruppen eingeführt. Kurz gefasst: Egal ob eine Füllung erbracht wird oder drei Füllungen und eine Wurzel- Großbritannien Endstation Dentalkette: Rendite ist King Sven Thiele „Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als ich auf Spiegel Online die Schlag- zeile las: ‚Großinvestoren kaufen Zahnarztpraxen – Das dicke Geld machen mit Zähnen‘. Der Ausverkauf der Zahnheilkunde hat also jetzt auch in Deutschland begonnen.“ Sven Thiele praktiziert seit zehn Jahren als deutscher Zahnarzt in London. Dort ist Rendite mittlerweile King. So sieht Praxiswerbung in Großbritannien aus, wenn direkt gegenüber eine Dentalkette operiert. Foto: privat 20 Dentalketten in Europa
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