Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 109, Nr. 1, 16.1.2019, (26) sie ihre Therapie im Voraus, aus eigenen Mitteln oder durch Darlehen bezahlt haben“, heißt es auf der Website des „Collectif contre Dentexia“, das die Opfer vertritt. ” Der beste Zahn ist das Implantat! Ex-Dentexia-Präsident Pascal Steichen Insgesamt 1.553 Patientenbeschwerden ha- ben Pariser Richter in einem bundesweiten Dossier erfasst. Sie untersuchen sowohl die Gründe für dem Zusammenbruch des Konglomerats als auch die Fachmängel bei den Behandlungen. Im Fokus stehen die Dentexia-Zentren in Paris, Colombes, Lyon, Vaulx-en-Velin und Châlon-sur-Saône. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine kündigte auf Druck die Freigabe „finanzieller Mittel“ für die Opfer an und bat die regionalen Gesundheitsbehörden (ARS) und das Bundessozialamt (IGAS) um Unter- stützung bei der Betreuung der Patienten. Vier angeklagte Zahnärzte – die Sündenböcke? Anfang Oktober vergangenen Jahres wur- den außerdem vier ehemalige Zahnärzte von Dentexia, die in Zentren in Chalon-sur- Saône arbeiteten, mit einem vorübergehen- den Berufsverbot belegt. Die Disziplinar- stelle der regionalen Zahnärztekammer in Dijon untersagte ihnen unter Strafe die Berufsausübung für einen Zeitraum von sechs Monaten. Für ihren Anwalt Philippe Rudyard Bessis sind seine Mandanten die Bauernopfer: „Insgesamt arbeiteten 23 Zahn- ärzte in der Kette, und diese vier müssen jetzt als Sündenböcke herhalten!“ Der Berufsverband zahnärztlicher Implanto- logen von Saône-et-Loire sieht das anders. Er bezichtigt die angeklagten Zahnärzte, die Gesundheit der Patienen aufs Spiel gesetzt und das ärztliche Ethos verletzt zu haben. Es gebe Fälle von Verstümmelung, Über- behandlung und mangelnder Aufklärung. „Wenn es diese Profitgier nicht gegeben hätte, wäre es nicht zu diesen Exzessen ge- kommen“, sagte die Anwältin des Verbands, Marie Vicelli, bei der Anhörung. Ein Zahnarzt könne sich nicht mit dem Argument aus der Verantwortung ziehen, er habe in einer „besonderen“ Umgebung, wie einem Billig-Dentalzentrum gearbeitet, bekräftigt Marc Sabek, Vizepräsident des Verbands zahnärztlicher Implantologen, Chirurgiens-Dentistes de France (CNSD). „Wir sind Opfer des Systems, das der Gründer von Dentexia, Pascal Steichen, ins Leben gerufen hat“, sagt Abdel Aouacheria, Sprecher des Collectif contre Dentexia und selbst eines der Opfer. Ihn erreichten seit Beginn der Affäre fast 25.000 Nachrichten – Briefe, E-Mails und Anrufe von Geschädigten, die ihm von ihrem Leid erzählten: große Schmerzen, entstellte Münder, soziale Aus- grenzung, Depressionen, Selbstmordversuche. „Auf der anderen Seite gibt es die, die diesen Skandal ermöglicht haben, in diesem Fall der Gesetzgeber und die Gesundheits- behörden. Und schließlich diejenigen, die alles getan haben, um ihn am Laufen zu halten: die Ordre National du Dentiste, die eine echte Vendetta gegen preiswerte Ver- sorgungen organisierte, um ihr Monopol zu schützen.“ „Wir sind Opfer des Systems“ Die Opfer gehen als „Sans Dents“, die „Zahnlosen“, auf die Straße, „sans dents, mais pas sans voix“, „Zahnlos, aber nicht ohne Stimme“. Die Bezeichnung ist eine An- spielung auf den ehemaligen Präsidenten Nach einer telefonischen Auswahl wur- den die Patienten in einer Dentexia- Praxis empfangen, wo ein Zahnarzt eine Anamnese durchführte und über den Mundgesundheitszustand informierte. Wenn alles nach Plan lief, war der Patient am Ende überzeugt, dass sich seine Zähne in einem sehr viel schlechteren Zustand befanden, als er zuvor dachte. Die im Intranet des Unternehmens ge- posteten Schulungsvideos geben Auf- schluss über Steichens Methoden: Darin lernen die „Klinischen Berater“, die Angstzustände des Patienten einzu- schätzen. Je besorgter der Patient ist, desto besser. Hat er nicht genug Angst, muss der Berater das Stresslevel erhöhen: „Wenn wir nichts tun, wird sich der Knochen zurückbilden und die anderen Zähne werden sich lockern ...“ Denn ein Patient „in Panik“ wird wahr- scheinlich nicht nachdenken (und den Betrug erahnen). Beim ersten Termin soll der Berater allerdings keine Therapie vorschlagen. Im Gegenteil: „Lassen Sie den Patienten für eine gute Woche schmoren!“ \ francetvinfo.fr , Auszug aus: „Dentexia: le scandale des sans-dents“, 27. April 2017 Die Schulungsvideos Steichens Methoden François Hollande. Der Sozialist hatte 2008 Leute aus der Unterschicht als „Zahnlose“ verhöhnt. Ziel sei, eine Entschädigung von Axa, der Versicherungsgesellschaft von Dentexia, zu bekommen. „Alles wurde zum Nachteil des Patienten geregelt“, sagt Aouacheria und fügt als Beleg die Kopie eines Versicherungs- scheins bei. Dabei handele sich eigentlich um einen Nichtversicherungsvertrag, da alle Behandlungen vertraglich ausgeschlossen seien: „Nichts, was bei Dentexia gemacht wurde, könnte also demnach zu einer Opferentschädigung führen.“ Odontological Efficiencies heißt die Firma, die Steichen während seiner Beraterzeit gegründet hatte. Eigentlich hätte sie längst zumachen müssen, doch Steichen führte sie als Verwaltungsgesellschaft für die Dentexia- Praxen und -Satelliten fort – und ließ sich regelmäßig über NPS dorthin Gelder trans- ferieren. Über den Verbleib der Mittel haben wir nichts herausfinden können. ck Abdel Aouacheria, Sprecher des Collectif contre Dentexia und selbst betroffen, rechnet mit Dentexia ab. „Die Politik hat zugekuckt“ M EHR AUF ZM - ONLINE 28 Dentalketten in Europa
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=