Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 109, Nr. 1, 16.1.2019, (29) Berufs- und Standesorganisation der Zahn- ärztinnen und Zahnärzte beobachtet die Entwicklung kritisch und sorgt sich um die qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung: „Der Zustrom ausländischer Behandler stellt uns vor die vielleicht größte Herausforderung überhaupt. Nicht immer entspricht die formelle Gleichwertigkeit eines ausländischen Diploms der tatsäch- lichen Qualität des Ausbildungsganges“, heißt es in einer 2015 veröffentlichten Bro- schüre der Gesellschaft. Zuwanderung und das Aufkommen der Dentalketten „haben zu einem stärkeren Konkurrenzdruck in jenen Regionen geführt, in denen bereits eine ho- he Zahnärztedichte herrscht; dies besonders in urbanen Zentren wie Zürich oder Genf“. Harter Konkurrenzkampf in Zürich und Genf „Zürich ist überversorgt, es gibt rund ein Drittel zu viel Zahnärzte“, warnte der ehe- malige Präsident der Kantonszahnärzte, Sven Priester, bereits 2013. Zahnarztzentren seien auf Umsatz ausgerichtet und müssten möglichst viele Patienten in kurzer Zeit be- handeln – darunter leide „automatisch die Qualität“, erklärte er seinerzeit Reportern der Basler Zeitung. Das Blatt verwies in einem Beitrag auf Informationen verschiedener Kantonszahnärzte, wonach Dentalketten „überdurchschnittlich stark von Patienten- klagen betroffen“ seien. Nach Angaben des Berner Kantonszahnarztes Thomas Schochat handelt es sich um „sechs- bis zehnmal mehr Reklamationen“. Der Mitgründer der Dentalkette zahnarztzentrum.ch , Christoph Hürlimann, widersprach den Vorwürfen der Kantonszahnärzte, räumte aber gegenüber der Basler Zeitung ein, dass zwei Drittel seiner Angestellten aus dem EU-Raum stammen. Das Thema „Behandlungsqualität“ beschäf- tigt inzwischen nicht nur Kantonszahnärzte, sondern auch Patientenschutzorganisatio- nen und die Öffentlichkeit. So berichtete die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) im Dezember 2018, dass zehn Prozent der jährlich 3.400 Anfragen an die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz „mangelhafte, zu teure oder überflüssige Behandlungen durch Zahnmediziner“ betreffen. Das tatsächliche Ausmaß der Probleme dürfte jedoch nur schwer abzuschätzen sein. Bis ein Fall an Patientenschutzorganisationen wie die SPO gelange, müsse ein „gewaltiger Vertrauens- bruch“ vorliegen, sagt die SPO-Expertin für Zahnbehandlungen, Maggie Reuter, gegen- über der Aargauer Zeitung: „Wir kriegen lediglich die Spitze des Eisbergs zu sehen.“ Überversorgung und mangelhafte Behand- lungsqualität werden in der öffentlichen Debatte überwiegend mit ausländischen Zahnärzten und Dentalketten in Verbindung gebracht. Die NZZ berichtet im Dezember 2018: „Patientenschutzorganisationen und Kantonszahnärzte verzeichnen konstant viele Reklamationen wegen mangelhafter Behandlungen durch Zahnärzte, die nicht in der Schweiz ausgebildet wurden.“ Und: „Viele dieser ausländischen Zahnmediziner praktizieren in größeren Zahnarzt-Zentren, entsprechend oft wird die Arbeit von sol- chen Gemeinschaftspraxen beanstandet.“ Patientenbeschwerden in Dentalketten häufen sich Um die Debatte mit konkreten Zahlen zu unterstützen, hat die Aargauer Sektion der SSO über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg sämtliche Patientenbeschwerden analysiert, die bei der Zahnärztlichen Begut- achtungskommission der Gesellschaft ein- gingen. Das Ergebnis bestätigt die bislang in den Medien beschriebenen Zusammenhänge: Die Hälfte der Beschwerden gegen Nicht- SSO-Mitglieder betrifft Zahnärzte mit aus- ländischen Abschlüssen, obwohl deren Zahl im Aargau deutlich geringer ist als die der Schweizer Zahnärzte. Da die Entwicklungen nun nicht mehr rück- gängig zu machen sind, werden aktuell allerlei Maßnahmen diskutiert, um die ent- standenen Probleme in den Griff zu bekom- men. So sollen etwa die Kantonszahnärzte mehr Kompetenzen erhalten und deren Stellen personell aufgestockt werden. „Un- zufriedene Patienten müssen eine Anlauf- stelle haben, die auch tatsächlich Zeit hat und sich um ihre Anliegen kümmern kann“, erklärte Peter Suter, Präsident der Vereini- gung der Kantonszahnärzte der Schweiz, gegenüber der NZZ. Die Verwaltung unzu- friedener Patienten, eine strengere Aufsicht über die Berufsausübung, Sanktionen, Buß- gelder und vermutlich insgesamt ein deut- liches Mehr an Verwaltung, Streitschlich- tung, Reglementierung und damit natürlich auch Kosten, die letztlich die Allgemeinheit zu tragen hat – die Bilanz des Markteintritts der Dentalketten in der Schweiz sieht nicht gerade ermutigend aus. br Patientenzufriedenheit in Zahnarztzentren im Vergleich zu SSO-Zahnärzten 0 10 20 30 40 50 60 70 80 bei SSO-ZÄ 63 32 in Zahnarzt-Zentren So viele Patienten waren mit ihrer Behandlung "sehr zufrieden" Prozent Im Vergleich zu den (überwiegend niedergelassenen) SSO-Zahnärzten waren nur rund halb so viele Patienten von Zahnarztzentren mit ihrer zahnärztlichen Behandlung „sehr zufrieden“. 54 Prozent dieser unzufriedenen Patienten aus den Zahnarztzentren bemängelten die Behandlungsqualität. Weitere Kritikpunkte waren unerwartet teure Rechnungen (39 %), häufig wechselnde Zahnärztinnen und Zahnärzte (16 %) sowie Fehlbehandlungen (8 %). Quelle: Grafik nach Daten der „SSO-Publikumsumfrage 2017“, Swiss Dental Journal SSO, 6/2018. 31
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