Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 109, Nr. 3, 1.2.2019, (136) Datenschutz – in Deutschland macht er laut Töööööööööööööööt!!!!!!! \ Straftat zum Frühstück oder die/das/der Zahnä(a)rzt/in im juristisch korrekten Umfeld Pfeifend und wohlgelaunt truller ich morgens durch den Pendlerverkehr und nippe an meinem korrekten Coffee-to-go (aber von zu Hause im eigenen Becher mitgenommen). Ich halte brav hinter dem doppelblinken- den Bus, trotz Stern auf der Haube, ich dödel mit korrekten 30 km/h am Altersheim vorbei, achte auf unbeleuchtete Rad- fahrer und komme so doch recht korrekt an meiner Praxis an. Der Gehsteig ist gefegt, der Vorgarten entlaubt, Stolper- fallen für tippelige Patienten beseitigt. Vor der Praxis stehen die ersten Patienten. „Guten Morgen, Frau Schmidt! Guten Morgen, Frau Meier!“ Töööööööööööööööt!!!!!!! Halt! Stop! Datenschutz! „Guten Morgen, Frau Doktor!“ schallt es ganz natürlich und unverkrampft zurück. Ich kenn beide Patientinnen seit 20 Jahren. Ich weiß, wohin sie in den Urlaub fahren und wie der Dackel heißt. Aber sie grüßen mit Namen, so dass die eine von der anderen den Namen erfährt? Nicht er- laubt. Ordnungswidrigkeit … nur eine Ordnungswidrigkeit. Glück gehabt. „Frau Doktor, ist mein Sohn schon da gewesen? Der braucht noch den Stempel fürs Bonus- heft!“ Achtung: Falle! Frau Schmidt guckt mich an und er- wartet selbstverständlich eine Antwort, da ich mit ihrem Bengel früher auf dem Schoß gespielt habe und ich die ge- samte Geschichte seiner ver- flossenen Liebe kenne. „Nein Frau Schmidt, der war noch nicht da. Er hat aber einen Recall-Brief bekommen.“ Töööööööööööööööt!!!!!!!, dröhnt es imaginär in meinen Ohren. Frau Meier dreht sich um: „Oh, meine Schwester war doch auch bestimmt noch nicht da! Können sie der nicht auch nochmal schreiben?“ Ich winde mich in Datenschutznöten. „Frau Meier, Ihre Schwester war schon da.“ Töööööööööööt!!!!! Ich bin noch keinen Meter in der Praxis und suhle mich in Ordnungswidrigkeiten. Na Bravo. Frau Meier und Frau Schmidt haben nichts bemerkt und finden ihre Zahnärztin wie immer nett und umgänglich und unkompliziert. Ich betrete die Praxis und öffne die Post, welche der Hausmeister übers Wochenende auf den Tresen gelegt hat. Da erwischt es mich! Ich habe aus Effektivitäts- zwecken zehn Umschläge in die eine Hand genommen und den Brieföffner in die andere. Ritsch ratsch sind alle zehn Briefe offen und ich entnehme die Inhalte. Der eine Inhalt ist nicht an mich adressiert, sondern an meine Mieterin. Falscher Briefkasten. Es läuft mir eiskalt über den Rücken. Verletzung des Brief- geheimnisses! Doppel-trööööööööööööööt!!! Jetzt haben Sie mich. Straftat! Wo zeige ich mich an? Da gibt es doch bestimmt einen Aushang mit der Adresse zur Meldung der/die/das straffällig gewordenen/ner/ne Chefs/ Chefinnen/Chefs, aktualisiert mit Revisionsdatum. Sorry, wieder falsch, weiblich zuerst: Der/des/des Chefin/Chefs/Chef (...? Neutralform von Chef? Das Chef!) Erst einmal den Vorgang doku- mentieren. Frau Meier und Frau Schmidt als Zeugen aufklären, Aufklärung dokumentieren, un- terschreiben lassen, kopieren, über Kopierkosten aufklären, Aufklärung über Kopierkosten dokumentieren, unterschreiben lassen, einscannen, in Akte hinterlegen, Betriebsanweisung für „Verhalten bei Begehen von Straftaten“ raussuchen, dokumentieren, Revisions- datum ist veraltet, schnell Betriebsanweisung revidieren, Revision dokumentieren, in Re- visionsstandanzeiger eintragen, Benchmarking für straffällige Chefinnen/Cheffe/Chefs öffnen, Betriebsanweisung für „Verhal- ten bei Straftaten“ ist nur für Fremdverschulden ausgelegt und nicht wenn die Chefin straffällig wird, es gibt keine Betriebsanweisung für diesen Fall! Das ist eine Ordnungs- widrigkeit? Straftat? Wo zeig ich das an? Ich werde nervös, das Warte- zimmer füllt sich, meine Damen wedeln mit der Terminliste. Leute: Ich bin straffällig! Ich muss mich anzeigen, ich muss die Vorschriften erfüllen, ich muss mich korrekt verhalten. Ich muss mich entscheiden! Ich greife zur Kaffeetasse, welche mir verständnisvoll gereicht wird. Ohne Arbeitsanweisung. Die Sicht wird klarer, ich fasse mich und freue mich über die Sonne in meinen frisch ge- waschenen Fensterbehängen. Ich öffne die Wartezimmertür und sehe lauter nette Patienten. Und ich sage: „Liebe Frau Meier, dann wollen wir mal Ihren kaputten Zahn ziehen. Dann haben Sie über Weihnachten Ruhe und können getrost nach Malle fliegen. Vielleicht treffen Sie da ja Frau Schmidt, die kennen Sie ja schon, die fliegt da auch immer hin!“ Beide lachen und Frau Schmidt wünscht Frau Meier noch viel Glück. Wenn ich schon in der Hölle schmore, dann richtig! Mein Mann findet übrigens, dass mir kleine Hörnchen sehr gut stehen! Dr. Christiane Koch, Hannover \ Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an: leserbriefe@zm-online.de oder Redaktion Zahnärztliche Mitteilungen Behrenstraße 42 10117 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. 10 Leserforum
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