Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 109, Nr. 3, 1.2.2019, (140) Ministerentscheid zur Kassenleistung Spahn will Selbstverwaltung nur in „Ausnahmefällen“ übergehen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nur in Ausnahme- fällen per Entscheid Leistungen in der gesetzlichen Kranken- versicherung verankern. Das heißt: Ist die Selbstverwaltung zu langsam, greift er durch. Zum Hintergrund: Spahn hatte den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) – die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen – übergangen, um die Liposuktion per Rechtsverordnung zur Kas- senleistung zu machen. Die Kassenzahnärztlichen Bundes- vereinigung (KZBV) hatte dies kri- tisiert. Maßstäbe der Methoden- bewertung sollten nicht grund- sätzlich aufgeweicht werden, mahnte der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer. „Die Selbstverwaltung erledigt viel. Doch für manche Entschei- dungen braucht sie zu lange. Ich bin Fan einer funktionierenden Selbstverwaltung“, sagte Spahn nun am 22. Januar der Frankfur- ter Allgemeinen Zeitung (FAZ). „Die Selbstverwaltung spielt in unserem System eine wichtige Rolle. Das soll auch so bleiben“, bekräftigte Spahn. Grundsätz- lich. Dennoch behalte er sich vor, „in Ausnahmefällen“ als Minister zu entscheiden, was die Kasse zahlt. „Wenn sie [die Selbst- verwaltung] nicht entscheidet, muss der Gesundheitsminister den Konflikt lösen können.“ Da- für habe er die Rechtsaufsicht und auch die demokratische Le- gitimation. Auf die Frage, ob er den G-BA reformieren wolle, sagte Spahn: „Ich kann da nur Winston Chur- chill plagiieren: ‚Es ist nicht per- fekt, aber es ist uns noch nichts Besseres eingefallen.‘“ Was die Behandlung von Lipöde- men betrifft, habe die Selbstver- waltung sich selbst blockiert und das Thema fast zehn Jahre vor sich hergeschoben. „Das geht nicht. Da würden Zehntausende Patientinnen unnötig hingehal- ten“, sagte Spahn ck KBV stellt Arztzeituhr vor „Mit jeder Minute verlieren wir 474 Minuten Arztzeit!“ Mit einer symbolischen „Arztzeit- uhr“ wendet sich die Kassenärzt- liche Bundesvereinigung (KBV) gegen Vorgaben des geplanten Terminservice- und Versorgungs- gesetzes (TSVG). „Ich habe eine Zahl für Sie“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am 23. Januar in Berlin, „sie lautet: 40.000! Das ist in Arztköpfen ausgedrückt – oder, wie wir es etwas technisch nennen: Vollzeit- äquivalente – die Menge an Be- handlungszeit, die uns auf einem Schlag verloren gehen könnte. Dann nämlich, wenn plötzlich alle selbstständigen Vertragsärzte zu Angestellten würden und in einem Normalarbeitsverhältnis von 40 Stunden pro Woche arbeiteten.“ Laut Gassen sei der Gesetzgeber angetreten, mit dem TSVG mehr Zeit für Patienten zu schaffen. So sollen die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeutenmehr und schnellere Termine zur Verfügung stellen. Doch mit dem derzeitig vorliegenden Entwurf werde genau das Gegenteil erreicht. „Der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Fassung macht durch massive Eingriffe in Praxisabläufe die Rahmenbedingungen für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen immer unattraktiver“, erläuterte Gassen. Die angestellten Ärzte würden selbstverständlich eine hervorragende medizinische Arbeit leisten, „ihr zeitliches Wir- ken“ sei aber „logischerweise durch Arbeitsverträge auf maximal 40 Stunden begrenzt“, führte Gassen aus. Das TSVG verknappe damit noch einmal künstlich die zur Verfügung stehende Arztzeit, auch durch zusätzliche Büro- kratie. „Es wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich insbe- sondere ältere Kolleginnen und Kollegen früher als geplant aus der Versorgung zurückziehen“, warnte der KBV-Chef. Der KBV zufolge zeigen Studien, dass Ärzte im Durchschnitt 7,4 Stunden pro Woche für Büro- kratie aufbringen müssen. Gassen stellte außerdem heraus, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für mehr Termine auch mehr finanzielle Mittel bereitstellen wolle – den vom BMG gewählten Weg halte die KBV allerdings für „ungeeignet“. „Das KV-System hätte einen neuen Vorschlag“, sagte Gassen: „Warum einigen wir uns nicht darauf, eine Summe X zusätzlich in die Versorgung zu geben? Wie genau sie verteilt wird, regelt jede KV selber. Im Gegenzug garantiert die KV, dass jeder Terminwunsch der Bürger in angemessener Zeit befriedigt wird. Wie genau sie das um- setzt, richtet sich nach den Eigenheiten der Regionen. Nach drei Jahren überprüfen wir dann, ob dieses System funktioniert. Vielleicht funktioniert dieser Deal.“ ck/mth/pm Foto: KBV/Tabea Breidenbach Die drei Meter lange, rückwärts laufende Arztzeituhr im Haus der Kassenärztlichen Bundesvereinigung soll die Entwicklung bildlich zeigen: Die Arztzeit ist eine wertvolle Ressource, die immer knapper wird. 14 Nachrichten
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