Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 109, Nr. 3, 1.2.2019, (132) Dr. Wolfgang Eßer Vorstandsvorsitzender der KZBV Foto: KZBV/Axentis-Lopata ” Die Patientenvertreter im G-BA kritisieren vermeintlich doppelte Versorgungsstrukturen. Diese Kritik ist haltlos! Endlich. Dreieinhalb Jahre lang haben wir hart dafür gearbeitet. Jetzt hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Neufassung der Richtlinie über die Früh- erkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten schluss- endlich beschlossen: Gesetzlich kranken- versicherte Kinder bis zum vollendeten 33. Lebensmonat erhalten drei zusätzliche zahnärztliche Früherkennungsuntersuchun- gen. Außerdem haben sie Anspruch auf eine Zahnschmelzhärtung mit Fluoridlack zweimal je Kalenderhalbjahr. Ich wiederhole mich gerne: endlich. Denn ein wissenschaftliches Konzept zur Vermeidung frühkindlicher Karies hatte die Zahnärzteschaft bereits 2014 vorgelegt. 2015 beschloss dann auch der Gesetzgeber im Präventionsgesetz, die Leistungen in die vertragszahnärztliche Versorgung aufzu- nehmen. Daraufhin nahm der G-BA eine Bewertung der oralpräventiven Effekte zu- sätzlicher Früherkennungsuntersuchungen für Kinder vor dem 30. Lebensmonat vor und beauftragte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Bewertung einer Fluorid- lackapplikation im Milchgebiss zur Verhin- derung des Voranschreitens und des Ent- stehens von Initialkaries beziehungsweise neuer Kariesläsionen. Das IQWiG brauchte noch mal ein Jahr, um den Nutzen zu be- stätigen – obwohl die Applikation von Fluorid- lack in Fachkreisen als eine der wirksamsten Maßnahmen der Kariesprävention gilt und zudem wissenschaftlich gut belegt ist. Damit nicht genug: Bis zum letzten Tag der Abstimmung im G-BA mussten wir unser Präventionskonzept verteidigen. Gegenwind kam, bis kurz vor Schluss, von den Kranken- kassen, die sich zu guter Letzt aber doch überzeugen ließen. Nur die Patienten- vertreter im G-BA stellen sich auch jetzt noch dagegen. Der Beschluss habe aus ihrer Sicht „sein Ziel verfehlt“. Da bereits die Untersuchungen zur Mundgesundheit in die kinderärztlichen Untersuchungen aufgenommen wurden und der Kinderarzt zum Zahnarzt überweist, würden zusätzliche Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt nur „parallele Strukturen aus Vorsorgeuntersuchungen“ schaffen. Ich frage mich ehrlich, wie man annehmen kann, dass eine ärztliche Früherkennungs- untersuchung den Besuch beim Zahnarzt ersetzen kann! Mit den neuen zahnärztlichen Untersuchun- gen setzen wir direkt bei den Ursachen frühkindlicher Karies an. Wir wissen, dass annähernd die Hälfte der kariösen Defekte, die bei der Einschulung festgestellt werden, in den ersten drei Lebensjahren entstehen. So zeigte eine aktuelle im Auftrag der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- zahnpflege (DAJ) durchgeführte Studie, dass knapp 14 Prozent der 3-Jährigen Karieserfahrungen auf Defektniveau haben – jedes siebte Kind in diesem Alter weist also Kariesschäden im Milchgebiss auf. ECC ist die häufigste chronische Krankheit bei Kindern im Vorschulalter, dennoch kriti- siert die Patientenvertretung, dass alle Eltern nun „auch noch zusätzlich regelmäßig ab dem 6. Lebensmonat mit ihrem Kind zum Zahnarzt gehen sollen“. Diese Kritik kann doch nicht ernst gemeint sein? In einem wissenschaftlich begleiteten Modell- projekt der KZV Rheinland-Pfalz konnten wir die jetzt in den GKV-Katalog aufge- nommenen Leistungen vorab testen. Aus einem Evaluationsbericht geht hervor, dass 95,5 Prozent der Eltern die drei zusätzlichen Früherkennungsuntersuchungen in der zahnärztlichen Praxis als sinnvoll ansahen. Sie empfanden die Empfehlungen und das Mundhygienetraining nach einem Besuch zur zahnmedizinischen Prävention bei ihrem Kleinkind zu 71,1 Prozent als wichtig, die Empfehlungen durch den Pädiater aber nur zu 36,8 Prozent. Die epidemiologische Auswertung ergab zudem, dass über 60 Prozent der Kinder vom Kinderarzt eine Empfehlung über das gelbe U-Heft erhalten hatten. Aus Sicht der Autoren zeigt dies, dass Eltern und ihre Kinder „konsensual und partnerschaftlich durch Pädiater zur Prophylaxe in die zahn- ärztliche Praxis verwiesen werden können“. Trotz aller Widerstände konnten wir unser Präventionskonzept damit weitgehend durchsetzen. Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, setze ich meine ganze Hoffnung in Sie, um unsere kleinsten Patienten künftig noch besser zu schützen und ihnen das Schicksal kranker Zähne zu ersparen. Die neuen Leistungen sollen zum 1. Juli 2019 zur Verfügung stehen. Großer Erfolg im Kampf gegen ECC 6 Leitartikel
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