Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 109, Nr. 3, 1.2.2019, (208) Eine Ankylose kann schwerwiegende Folgen haben. Infolge der Behinderung der Mund- öffnung ist keine adäquate Mundhygiene möglich, so dass es häufig zu kariösen Schädigungen der Zähne kommt. Eine un- zureichende Nahrungsaufnahme führt wie im Fall unseres Patienten zu einer Mangel- oder Fehlernährung. Des Weiteren können eine orale Intubation, zahnärztliche Be- handlungen oder mund-, kiefer-, gesichts- chirurgische Eingriffe nur unter äußerst erschwerten Bedingungen oder gar nicht durchgeführt werden. [Jain et al., 2008; Mehrotra et al. 2008; Felstead et al., 2011; Clauser et al., 2014; Kumar et al., 2014; Oliveira et al., 2014; Gupta et al., 2015]. In der Wachstumsphase ist es besonders wichtig, dass eine Ankylose frühzeitig dia- gnostiziert und behandelt wird. Erfolgt die Diagnosestellung nicht frühzeitig, kann dies schwerwiegende Entwicklungsstörungen des Gesichtsschädelskeletts sowie ausgeprägte Gesichtsdeformitäten (wie im beschriebenen Fall) zur Folge haben [El-Sheikh, 1999; Jain et al., 2008; Zhang et al., 2012]. Ursache für eine Unterkieferhypomobilität können sowohl intra- als auch extraartikuläre Prozesse sein. Der Kiefergelenksankylose liegt ein intraartikulärer Prozess, der durch eine Fibrose oder eine ossifizierende Oblite- ration des Gelenkspalts gekennzeichnet ist, zugrunde. Im Fall einer extraartikulären Läsion spricht man von einer Pseudo- Ankylose [Gundlach, 2010; Guruprasad et al., 2011; Cunha et al., 2012]. In der Literatur findet man häufig die Eintei- lung der Ankylosen nach Sawhney: Typ I: fibröse Adhäsionen in der Gelenkregion Typ II: ossäre Fusion von deformiertem/abge- flachtem Kondylus und der Fossa articularis Typ III: ossäre Ankylosebrücke zwischen Ra- mus mandibulae und Jochbogen, atrophischer Kondylus nach medial verlagert, Hypertrophie des Processus coronoideus Typ IV: ausgedehnte Ankylosemasse zwischen Ramus mandibulae und Schädelbasis, voll- kommener Verlust der normalen Gelenk- anatomie Im beschriebenen Fall handelt es sich um eine Typ-IV-Ankylose nach Sawhney [Sawhney, 1986]. Es gibt verschiedene Verfahren zur Behand- lung der Ankylose, sowohl konservativ als auch operativ. Die häufigsten Therapieoptionen sind: - Aufdehnung des Kiefergelenks in Sedie- rung oder Intubationsnarkose - Arthroplastik mit oder ohne Interponat in den neu geschaffenen Gelenkspalt - ergänzende operative Maßnahmen wäh- rend einer Arthroplastik, zum Beispiel die Koronoidektomie auf der ankylosierten oder auf der kontralateralen Seite, - Rekonstruktion des Unterkiefers, - Distraktionsosteogenese, - alloplastische Kondylusprothese - totale Gelenkprothese - selektive Koronoidektomie - weitere Korrektur der Kieferdeformation in gleicher Operation [Kaban et al., 1990; McFadden et al., 2001; Ansari et al., 2004; Ajike et al., 2011; Yang et al., 2011; Kalra et al., 2011; Gabbay et al., 2006; Montalva et al., 2008; Hassan et al., 2013]. Damit eine Re-Ankylose weitestgehend ver- mieden werden kann, wird empfohlen, eine Abbildung 6: 3-D-Modell Abbildung 7: Postoperatives Orthopantomogramm vor Beginn der Distraktion im Unterkiefer beidseits Abbildung 8: Postoperatives Orthopantomogramm nach der Distrakti- onsosteogenese im Unterkiefer beidseits Abbildung 9: Postoperatives Orthopantomogramm nach der Entfernung der Distraktoren im Unterkiefer beidseits 82 Zahnmedizin

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