Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 109, Nr. 3, 1.2.2019, (212) Eine 48-jährige Frau stellte sich in unserer Abteilung vor, nachdem ihr Zahnarzt im OPG einen Fremdkörper apikal der Alveole von Zahn 11 (Abbildung 1) diagnostiziert hatte. Das Röntgenbild wurde im Zuge einer angestrebten Implantatplanung in Regio 11 angefertigt. Bis dato war die Patientin mit einer Brücke von 12–21 in der Oberkieferfront versorgt, nachdem sie im Alter von neun Jahren Zahn 11 bei einem Sturz verloren hatte. Nach eigenen Angaben habe man damals versucht, den Zahn zu re- plantieren. Nach vorübergehendem Erfolg der Reinsertion des Zahns sei dieser nach einiger Zeit allerdings wieder verlustig gegangen. Es erfolgte die Versorgung mit einer provisorischen, später mit einer defini- tiven Brücke. Über den Vorgang der Replan- tation, die Verwendung eines Wurzelstifts oder den Verbleib des Stifts im Oberkiefer war der Patientin nichts bekannt. Im Zuge der Implantatplanung wurde ein DVT an- gefertigt, das den Verdacht eines Fremd- körpers, weit apikal der ursprünglichen Insertionslokalisation, bestätigte (Abbildun- gen 2 und 3). Wir entfernten den Wurzelstift, der mit dem kranialen Anteil am Nasenboden lag, über einen senkrechten Schnitt parallel zum Lippenbändchen – auf Patientenwunsch in Intubationsnarkose (Abbildung 4). Das ge- borgene Präparat stellte sich als circa 15 mm langer Keramikstift dar (Abbildung 5). Diskussion Nach schweren Traumen wurzelreifer Zähne – wie Intrusionen oder Avulsionen – besteht stets die Indikation zur Wurzelkanalbehand- lung [Andreasen & Vestergaard Pedersen, 1985]. Bei avulsierten Zähnen kommt es mitunter zu schweren Defekten im Zement sowie zu Zementoblastenschäden [Trope, 1992]. Die extraorale, retrograde endodontische Behandlung ist gegenüber der extraoralen, orthograden endodontischen Behandlung die zu bevorzugende Therapieoption. Haupt- argument ist die weitgehend einfachere Durch- führbarkeit. Bei der retrograden Füllung lässt sich der zu behandelnde Zahn besser fixieren und technisch sehr schwierig durchführbare Schritte, wie die laterale Kondensation, ent- fallen. Für die retrograde Stiftinsertion spre- chen weiterhin ein deutlich geringerer Zeit- aufwand sowie die zuverlässigere Entfernung von Pulpagewebe und pulpanahem Dentin, das den Auslöser für infektionsbedingte Wurzel- resorptionen darstellt [Pohl et al., 2000]. Ohne eine Infektion hängt die Heilung von der Größe des geschädigten Areals sowie von den vorliegenden vitalen, parodontalen Zellpopulationen (Vorläuferzellen sowie aus- gereifte Fibroblasten und Zementoblasten) ab, die in Konkurrenz zu den Osteoblasten stehen. Vor diesem Hintergrund kann es im Verlauf zu Ersatzresorptionen kommen. MKG-Chirurgie Verlagerter Keramikstift im Oberkiefer Nils Heim, Valentin Wiedemeyer, Andreas Schön, Franz-Josef Kramer Die extraorale endodontische Therapie von retrograd mit Stiftinsertion wird als eine suffiziente Therapie nach unfall- bedingter Zahnavulsion beschrieben. Resorptionen sind eine mögliche Komplikation, die mit Zahnverlust und dem Verbleib von Fremdmaterial einhergehen können. Abbildung 1: OPG mit unscharfer Darstellung eines stiftförmigen Fremdkörpers apikal der Alveole von Zahn 11 Alle Fotos: Nils Heim Abbildung 2: DVT-Rekonstruktion des Ober- und Unterkiefers mit Darstellung des Fremd- körpers – Ansicht von frontal Abbildung 3: DVT-Rekonstruktion des Ober- und Unterkiefers mit Darstellung des Fremd- körpers – Ansicht von retral-lateral rechts 86 Zahnmedizin

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