Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04
zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (350) und eigener prothetischer Versorgungen viel aufgeschlossener als die Briten. Das konnte man schon an Tony Blairs Frontzähnen sehen. Was hat Sie dann veranlasst, Schottland den Rücken zu kehren? Der Brexit brachte sehr viel Unsicherheit auf allen Ebenen – privat und dienstlich. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte. Ich wollte Stabilität, daher bin ich zurück in die Hei- mat. Und mein schottischer Mann mit mir, wir hatten den Glauben an ein unabhängiges Schottland verloren. Sie haben sich wieder für eine eigene Praxis entschieden. Ich war schon acht Jahre niedergelassen, ich konnte mir kein Angestelltenverhältnis mehr vorstellen. Zudem war ich bei meiner Entscheidung hochschwanger und sehe das Blatt von der anderen Seite. Als Angestellte kann ich zum Beispiel meine Arbeitszeit nicht so frei gestalten, wie ich es jetzt mit meiner Praxis kann. Was warum die Gründe dafür, eine Praxis auf dem Land zu übernehmen? Ich mag schlichtweg die Hektik einer Groß- stadt nicht. Die Leute hier auf dem Land „schwätze noch miteinand“, das schätze ich sehr. Zudem genieße ich es, ein Teil der Gemeinde und für die Gemeinde zu sein. Berater sprechen oft davon, dass der Standort die Wirtschaftlichkeit (mit-)bestimmt – warum haben Sie sich für Ihren Standort entschieden? Nach zwei Praxisgründungen denke ich, das mit dem Standort kann man von mehreren Seiten sehen. Vorrangig in unserem Beruf sind die Professionalität und das schlichte Können. Ich kannte in Großbritannien einen Zahnarzt, der sehr erfolgreich war und regelrecht abseits von jeder Infrastruktur seine Praxis hatte. Der war sehr erfolgreich, weil er einfach gut war – auch imMarketing. Wie groß ist Ihre Praxis? Momentan bin ich die einzige Behandlerin mit zwei Assistentinnen, eine Vergrößerung ist jedoch geplant. Welche Patienten betreuen Sie? Spielt die Nähe zur Schweiz eine Rolle? Ich betreue hauptsächlich geriatrische Pa- tienten, Schweizer machen weniger als zehn Prozent aus. Die Alterszahnheilkunde spielt in meiner Praxis deswegen eine große Rolle, weil der örtliche Altersdurchschnitt sehr hoch ist. Das ist aber keine große Herausforderung, es ist ganz normale Zahnheilkunde für mich. Vielleicht ist die Chirurgie mehr vertreten, was ich aber gern mag. Wie ist das Arbeiten im Vakuum ländlicher Raum und Schweizer Grenze? Wie gesagt, ich genieße es und bin dankbar, Teil einer Gemeinde sein zu dürfen. Wie schaffen Sie es, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen? Wo liegen die Herausforderungen? Um ehrlich zu sein, ich arbeite daran. Ohne Unterstützung von außen ist es sehr schwer, eine Work-Life-Balance zu erreichen. Es ist sozusagen ein „Work in progress“. Die Herausforderungen liegen darin, allen ge- recht zu werden: den Patienten, dem Team, dem Ehemann und dem Sohn. Und auch sich selbst. Manchmal hatte ich das Gefühl, von morgens bis zu dem Moment, wann ich abends die Augen schließe, nur noch zu arbeiten – entweder in der Praxis oder zu Hause. Wir Frauen haben da schnell eine Dreifachbelastung: Beruf, Haushalt und Kind. Nun habe ich mich entschlossen, den Haushalt und auch die Tagesbetreuung meines Sohnes abzugeben. Auch wenn es schwerfällt, aber anders geht es nicht. Sport und Meditation ist ebenfalls elemen- tar für Klarheit und Gelassenheit im Leben für mich. Außerdem habe ich gelernt, Pausen einzulegen. Anfangs habe ich sieben Stunden durchgearbeitet, ohne Essen, ? ? ? ? ? ? ? ? \ 1992–1994: Ausbildung zur medizi- nisch-technischen Angestellten an der MTA-Schule der Universität Freiburg \ 1994–2000: Zahnmedizinstudium an der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/ Brsg., mit Abschluss der Approbation \ 2001–2005: angestellte Zahnärztin, Schwerpunkt konservierende Zahnheil- kunde \ 2005–2006: Diplom für Ohr- und Körperakupunktur an der Europäischen Akademie für Akupunktur in München \ 2006–2007: angestellte Zahnärztin (Blairdaff Dental Practice in Schottland), allgemeine Zahnheilkunde im NHS, Kin- derbehandlung und Notdienst \ 2007–2009: selbstständige Zahnärz- tin (Westhill Dental Practice in Schott- land) mit Schwerpunkt auf Prothetik \ 2009: selbstständige Vertretungszahn- ärztin (Cults Dental Care in Schottland) \ 2009–2017: leitende Zahnärztin in eigener privater Zahnarztpraxis (Old- macher Dental Care in Schottland), Direktorin der Tunn Dental LTD \ seit 2018: Praxisübernahme in Höchen- schwand und Dozentin für Onlinekurse über Doppelkronensysteme \ Isabel Tunn „Bei einem Standort auf dem Land muss man es genießen, ein Teil der Gemeinde und für die Gemeinde zu sein.“ Foto: Tunn 112 zm–starter
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