Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (254) Eine gesunde 23-jährige Patientin stellte sich mit einem submukösen Abszess und beginnendem Wangeninfiltrat rechts bei Zustand nach Weisheitszahnentfernung der Zähne 18, 28, 38, 48 (Abbildung 1) alio loco im Notdienst unserer MKG-chirurgischen Abteilung Anfang 2015 vor. Nach Abszess- inzision, Drainage und Gabe eines oralen Antibiotikums (Clindamycin) kam es zunächst schnell zu einer Verbesserung der klinischen Situation, so dass nach unserer Behandlung die weitere Nachsorge durch den nieder- gelassenen Zahnarzt erfolgte. Fünf Monate später wurde die Patientin mit rezidivierenden Wundproblemen in Regio 048 und Zustand nach Wundrevision beim Zahnarzt erneut vorstellig. Ein nun von uns erstelltes Halbseiten-OPG (Abbildung 2) zeigte einen periapikal verbreiterten PA- Spalt des Zahns 47 und eine leere, unscharf begrenzte Extraktionsalveole Regio 048. Wir führten eine erneute ambulante Wund- revision und plastische Deckung durch und rezeptierten ein orales Analgetikum (Novalgin) und ein orales Antibiotikum (Clindamycin). Eine Ultraschalluntersuchung erbrachte lediglich den Verdacht auf reaktive Lymphknoten unterhalb des rechten Kiefer- winkels jugulo-digastrisch. Innerhalb der nächsten acht Wochen, unter laufender oraler Antibiotikatherapie, kam es zunächst erneut zu einer Beschwerde- besserung. Als plötzlich wieder stärkere Schmerzen im Unterkiefer auf der rechten Seite auftraten, zeigte sich im erneuten OPG nun eine Osteomyelitis in regio 048 bis zum Processus muscularis (Abbildung 3). Hier wurde stationär, unter intravenöser Antibiose, die Dekortikation, die Entfernung des gelockerten und schmerzhaften Zahns 47, die Einlage von Gentamycin- schwämmchen und plastische Deckung durchgeführt, sowie eine naso-gastrale Ernährungssonde appliziert. Auf eine Kontinuitätsresektion und Anlage einer Reko-Platte konnte zunächst verzichtet (Abbildung 4) werden. Im weiteren Verlauf von 2016 bis Anfang 2017 erfolgten aufgrund rezidivierender Beschwerden eine hyperbare Sauerstoff- therapie (HBO) in der Uniklinik in Düsseldorf und auch eine weitere Dekortikation in der MKG-Abteilung der Kollegen. Die regel- mäßigen OPG-Kontrollen in der Zeit zeigten eine sklerosierende Osteomyelitis beziehungs- weise eine Sklerosierung der Mandibula (Abbildung 5). Im Februar 2017 (Abbildung 6) zeigte sich dann aber eine erneute Knochendestruktion im Sinne einer Osteomyelitis mit Beteiligung des Rest-Processus muscularis, des Collums und des Capitulums, so dass erneut stationär eine Dekortikation vom Capitulum rechts bis regio 047 von i.o. erfolgte (Abbildung 7). Die Histologie erbrachte eine gering chro- nische, mäßig floride Osteomyelitis mit ge- steigertem Knochenabbau und Knochen- umbau und die Mikrobiologie Streptococcus parasanguinis und gordonii, also durchaus Erreger der physiologischen Mundflora. Von März 2017 bis Anfang 2018 kam es unter der Langzeitantibiotikatherapie und einer zusätzlichen oralen Cortisongabe zu einer klinisch akzeptablen Stabilisierung. Aufgrund einer erneuten starken Zunahme der Beschwerden 2018 war der Leidensdruck der Patientin nach drei Jahren nun so groß, dass sie nach Bestätigung der erneuten Akti- MKG-Chirurgie Totaler Kiefergelenkersatz nach Weisheitszahnextraktion Coordt Alexander Büddicker Die klinische Praxis zeigt uns immer wieder für den Patienten geradezu schicksal- hafte Krankheitsverläufe, deren Ätiologie auch nach umfangreicher Ursachen- suche unklar bleibt. Im vorliegenden Fall bildet die Entfernung eines Weisheits- zahns den Ausgangspunkt für eine drei Jahre andauernde Behandlung, die nun zu einem totalen Kiefergelenkersatz führte. Abbildung 1: Fremdbild-OPG vor Entfernung der Zähne 18, 28, 38, 48 von Anfang 2015 Quelle: Dr. Frede-Marie von Gersdorf 16 Zahnmedizin

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