Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (274) Ein 16-jähriger gesunder Patient stellte sich – überwiesen vom Vorbehandler – mit einem intraoperativ in das lingual gelegene Weich- gewebe dislozierten Zahn 38 zur Therapie- übernahme in der Klinik vor. Anamnestisch sollten aufgrund eines relativen Platzman- gels alle Weisheitszähne entfernt werden (Abbildung 1). Der Eingriff war in einem zweizeitigen Vorgehen mit der Osteotomie je einer Kieferseite geplant gewesen. Nach der kom- plikationslosen Osteoto- mie des Zahns 28 wurde der Zahn 38 dargestellt. Dieser dislozierte im Ver- lauf der Entwicklung je- doch ins linguale Weich- gewebe. Die sofortige Bergung scheiterte, wo- raufhin zur besseren Lo- kalisierung eine digitale Volumentomografie (DVT) angefertigt wurde. Hier zeigten sich eine hoch- mandibuläre Verlagerung nach lingual unterhalb des Nerveneintritts des N. alveolaris inferior sowie die Fraktur der lingualen Knochenlamelle (Abbil- dungen 2 und 3). Im Pra- xisumfeld war bei der ge- gebenen Dislokation eine sofortige Bergung nicht ohne ein erhöhtes Risiko der Nervschädigung mög- lich, so dass der Patient für eine Entfernung in Intubationsnarkose in die Klinik überwiesen wurde. Bei Aufnahme ließ sich eine Hypästhesie der linken Unter- lippe und des Kinns sowie der linksseitigen Zungenspitze mit einer Einschränkung des Geschmacksinns nachweisen. Enoral zeigte sich eine reizfreie, frische Wunde im Bereich der linken Retromolar-Region im Oberkiefer und eine adaptierte reizfreie Wunde regio 37–38 im Unterkiefer. Es erfolgte die notfallmäßige Bergung des Zahns in Intubationsnarkose. Hierbei wurde über den bereits angelegten Zugang im Unterkiefer entlang des aufsteigenden Unterkieferastes (Abbildung 4) das lingual gelegene Weichgewebe exploriert. Die leere Alveole 38 wurde gespült und auf weitere Zahnfragmente inspiziert. Der dislozierte Zahn ließ sich schließlich direkt unterhalb des in den Unterkiefer eintretenden N. alveolaris inferior und mit enger Lage- beziehung zum N. lingualis darstellen (Ab- bildung 5) und konnte komplikationslos ge- borgen werden (Abbildung 6). Postoperativ zeigte sich sofort eine vollständig hergestellte Sensibilität der Unterlippe, des Kinns und der Zunge. Bei stabilen Wundverhältnissen konnte der Patient wieder in sein häusliches Umfeld entlassen werden, wobei es auch im Rahmen der postoperativen Nachkontrolle zu keinen Beeinträchtigungen oder Komplikationen kam. Der besondere Fall mit CME Weisheitszahnosteotomie: Dislokation mit Nervbeeinträchtigung Elisabeth Goetze, Peer W. Kämmerer In diesem Fall kam es im Anschluss einer alio loco entstandenen Verlagerung des Zahns 38 aufgrund der engen Lagebeziehung zum ipsilateralen Nervus lingualis und zum Nervus alveolaris inferior zu einer sensiblen Beeinträchtigung der genannten Nerven. In einem zweiten Eingriff wurde der Zahn entfernt, wobei eine sofortige Regeneration der Nervenfunktion beobachtet wurde. Kliniker präsentieren Fälle mit hohem diagnostischem Schwierigkeitsgrad. Alle Fotos: P. Kämmerer 36 Zahnmedizin Abbildung 3: In der 3-D-Rekonstruktion der DVT lässt sich die genaue Lage des Zahns verifizieren.

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