Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (286) Aufruf, ins Land zu kommen: „Wir benötigen 40.000.“ Ob eine Gehaltserhöhung die Lage verbessern kann, ist fraglich. Zumal es diese in den Arzt- und Zahnarztpraxen wohl kaum geben wird, auch wenn es hier für die Kol- leginnen und Kollegen immer schwieriger wird, noch Personal zu finden. Helferinnen- schulen (die hier privat betrieben werden) mussten schließen, weil die Nachfrage fehlt. Inzwischen machten unter vielen Immi- granten Gerüchte die Runde, die zu einer weiteren Verunsicherung beitragen. So hieß es, alle Ost-EU-Ausländer müssten das Land nach einem Brexit verlassen. Der Brexit kann wohl eher als eine Art Katalysator für den Exodus an medizinischen Fachkräften ver- standen werden. Die Frage, die jedoch bleibt, und die ich eindeutig mit „Nein“ be- antworte, ist die: „Wird es überhaupt einen Brexit geben?“ „Wir benötigen 40.000!“ Weder die politischen Eliten in Brüssel oder in London noch große Teile der Wirtschaft und der Finanzindustrie haben ein Interesse an einem Brexit. Und wenn eine „Remaine- rin“ als Regierungschefin im Königreich mit Brexit-Gegnern in Brüssel verhandelt, was soll dabei anderes herauskommen, als wenn der Papst mit dem Patriarchen von Konstantinopel über die Genehmigung von Schwangerschaftsabbrüchen verhandelt? Allerdings zeigen die seit einiger Zeit lau- fenden Medienkampagnen zu den bitteren Folgen eines Brexit Wirkung, egal, ob über Medikamentenengpässe, eine schlechtere gesundheitliche Versorgung oder Lebens- mittelknappheit palavert wird. Und je mehr man in Deutschland über die armen Briten in den Medien berichtet, desto mehr meint man eigentlich die nachteiligen Folgen eines Brexit für die EU und Deutschland im Speziellen. So würde im EU-Rat die Sperr- minorität fallen, die deutsche Autoindustrie einen wichtigen Absatz- und Zulieferermarkt verlieren, die Franzosen müssten ihren Wein und Käse selbst konsumieren und Spanien und Holland gingen in Tomaten unter. Sicherlich, mit dem Referendum hat ein Volk demokratisch seine Meinung geäußert, die darauffolgenden zwei Jahre haben sowohl politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich viel Schaden angerichtet. Jedoch ist dies wohl in erster Linie auf das Verhalten von Politikern auf beiden Seiten des Ärmelkanals zurückzuführen. Und wenn der Brexit jetzt doch nicht kommt, der Platz reicht an dieser Stelle nicht aus, um dies in Einzelheiten zu erklären, so wäre das Königreich in seiner Reputation nach außen noch weiter ge- schwächt, als es nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg und dem Verlust der welt- umspannenden Kolonien der Fall war. \ Sven Thiele ist Zahnarzt, Autor und Dozent am Londoner King‘s College. Regelmäßig schreibt er über die Zahnheilkunde im Vereinigten Königreich, unter anderem in dem Blog www.foreigndentist.wordpress . com (deutsch). Foto: privat Foto: xxxxx

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