Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (292) Blutungsneigung wird für die Klasse der Chinolone beobachtet. Amoxicillin mit Clavulansäure geht mit einem etwa doppelt so hohen Risiko für Blutungen einher. Mit Amoxicillin allein ist es etwas geringer. Ob auch die neuen Antikoagulantien mit diesen Wirkstoffen interagieren, ist unklar. Drei weitere Antibiotika, die in der Zahnmedizin verwendet werden, nämlich Erythromycin, Clarithromycin und Metronidazol, sind klassische Inhibitoren der Cytochrome P450-Enzyme. Diese Enzyme sind für die Metabolisierung vieler Arzneistoffe verant- wortlich. Dazu gehört auch Marcumar, des- sen Blockade der Metabolisierung durch die gleichzeitige Einnahme der oben genannten Antibiotika zu massiven Erhöhungen der INR und damit zu fatalen Blutungen führen kann. In diesen Fällen ist die situations- adaptierte Reduktion der Marcumar-Dosis gerade bei älteren Patienten obligatorisch [Hylek, 2001; Hersh und Moore, 2015]. Bei Anwendung eines Kombinationspräparats aus Aminopenicillin und β -Laktamasehemmer sind die Leberenzyme engmaschig zu kon- trollieren, um eine mögliche Arzneimittel- induzierte Hepatitis frühzeitig zu erkennen. Zusätzlich muss mit dem vermehrten Auf- treten von gastrointestinalen Nebenwirkun- gen gerechnet werden [Gresser, 2001]. Durchfall, woran etwa 2 bis 25 Prozent der Patienten erkranken, ist eine bekannte Nebenwirkung der Antibiotikabehandlung. Der häufigste Grund für eine Antibiotika- assoziierte Diarrhö ist eine Störung der normalen Darmflora. Ungefähr 20 bis 30 Prozent der Fälle werden durch eine Clostridium-difficile-Infektion ausgelöst. Diese spezielle Form wird als Clostridium- difficile-assoziierte Diarrhö (CDAD) oder Clostridum-difficile-Infektion (CDI) bezeich- net [Eckmans, 2008; National Institute for Health and Care Excellence, 2015). Die Letalität der CDAD allein beträgt 1 bis 2 Pro- zent, allerdings ist in 10 bis 20 Prozent der CDAD-Fälle bereits eine pseudomembranöse Kolitis nachweisbar. Hier kann bei älteren Patienten mit Komorbiditäten in Verbin- dung mit hypervirulenten Stämmen die Letalität auf 6 bis 30 Prozent ansteigen [Eckmans, 2009]. Nach neueren Beobach- tungen kann der CDI eine Therapie mit fast jedem Antibiotikum vorausgegangen sein [Vardakas, 2016]. Allerdings konnten in zwei Metaanalysen, in denen die Abhängig- keit von Clostridium difficile-Infektionen von der Art des Antibiotikums untersucht wurde, nachgewiesen werden, dass Clindamycin ein sechsfach höheres Risiko gegenüber Penicillinen beziehungsweise ein vierfach höheres Risiko gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen aufweist, eine CDI auszu- lösen [Brown, 2013; Vardakas, 2016]. Die Bedeutung der teils ungerechtfertigten und inadäquaten Verordnung antimikrobieller Substanzen durch Zahnärzte für das ge- häufte Auftreten von Clostridium-difficile- assoziierten Erkrankungen wird auch in einem kürzlich publizierten Review hervor- gehoben [Beacher, 2015]. Weiterhin zeigte Clindamycin bei odontogenen Infektionen mit anaerob-aeroben Erregern deutlich höhere Resistenzquoten als Phenoxymethyl- penicillin und Amoxicillin und kommt somit lediglich als Reserveantibiotikum bei Penicillinallergie infrage [Eckert, 2014; Poeschl, 2010]. Makrolide spielen in der Zahnmedizin hauptsächlich als Alternative bei Vorliegen einer Penicillinallergie noch eine Rolle. Po- tenziell lebensgefährliche kardiale Neben- wirkungen in Form von Arrhythmien oder sogar Kammerflimmern können bei der Ver- ordnung von Makroliden wie Erythromycin/ Clarithromycin bei gleichzeitiger Einnahme der häufig verordneten trizyklischen Anti- depressiva Opipramol und Amitryptilin oder des SSRI Citalopram auftreten [Cascorbi, 2012] (Tabelle 3). Außerdem können diese „älteren“ Makrolide zusammen mit Calcium- kanalblockern wie Amlodipin zu einer starken Blutdrucksenkung führen [Halling, 2013] (Tabelle 3). Aufgrund der besseren Bio- verfügbarkeit und der deutlich längeren Verweildauer im Gewebe sollten die „neue- ren“ Makrolide (Roxithromycin und Azithro- mycin) in der Therapie bevorzugt werden [Al-Nawas, 2010]. Um die Sicherheit der Arzneimitteltherapie zu gewährleisten, sollte bei multimorbiden Patienten vor geplanten zahnärztlichen Behandlungen ein individuelles Risikoprofil erstellt werden. Foto: AdobeStock - Herrnsorff 54 Zahnmedizin

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=