Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (294) In der klassischen pro- fessionellen Parodontal- prophylaxe und -therapie ist die manuelle Instru- mentierung von befalle- nen Taschen indiziert, gegebenenfalls ein chi- rurgisches Vorgehen. Was vor Jahrzehnten richtig war, ist auch heute nicht verkehrt, doch kommen kontinuierlich weitere Optionen hinzu. Warum nicht einfach biologisch vorgehen? Gensonden unterscheiden entzündungsfördernde Mikroorganismen immer feiner. Bestimmte Testkits identifizieren gleichzeitig mehrere Parodontitis-Keime (etwa A. actinomycetemcomitans, P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola [Untch, 2015]) und bestimmen zusätzlich die Gesamtkeimzahl. Neben einer Chairside-Analytik können auch spezialisierte mikrobiologische Labor-Services in Anspruch genommen werden. Umfangreichere Tests umfassen zusätzlich zu den genannten Keimen auch P. intermedia, E. nodatum, P. micra, F. nucleatum/periodonticum, C. rectus, E. cor- rodens und Capnocytophaga spec. [www.micro-ident.de] . Dabei hat der Zahnarzt die Wahl zwischen einer Poolprobe (Gesamtsituation des Parodonts) und einer Einzelstellenanalyse (Situation in einer be- stimmten Tasche). Mikroorganismen bestimmen und gezielt ausschalten Ebenfalls vornehmen lässt sich eine langfristige Parodontalrisiko- Abschätzung. Einen Ansatzpunkt stellt die genetische Prädisposition dar (zum Beispiel Polymorphismen in den Genen der Interleukin-1- Genfamilie). Freilich muss auf die Komplexität dieser Materie hinge- wiesen werden: Fast 30 Prozent aller bekannten menschlichen Gene werden vom Einsetzen einer Gingivitis bis zum Heilungsprozess in veränderter Weise exprimiert [Offenbacher, 2009]. Immerhin konnten schon einige Parodontitis-Risikogene identifiziert und validiert werden [Schäfer, 2015], was auf therapeutische Chancen hoffen lässt. Zur Komplexität trägt des Weiteren bei, dass sich (potenziell) pathogene Mikroorganismen in einem Biofilm anders verhalten als in isolierter Form (quorum sensing [www.thieme.de ]). Bei mikrobiologischen und genetischen Analysen fallen naturgemäß sehr große Datenmengen an. Durch immer leistungsfähigere Ver- fahren zu deren Auswertung können die praxisrelevanten Informa- tionen genauer herausgefiltert und für Therapie und Prophylaxe nutzbar gemacht werden. Die Auswertung großer Datenmengen eröffnet neue Chancen In einem anderen Bereich der Prophylaxe eröffnet „Big Data“ bereits enorme Chancen: bei modernen Zahnbürsten. Denn diese reinigen nicht nur, sondern können auch Informationen zum Putzverhalten sammeln und auswerten. An der Universität Greifswald wurden im Rahmen einer Studie Zahnbürsten mit Bewegungsmeldern eingesetzt [www.zm-online.de ]: Sie glichen die aufgezeichneten Putzbewegungen mit dem „Ideal“ ab und gaben via Smartphone-App Rückmeldung an den Patienten. Unter Einsatz dieses Konzepts konnten bei Kindern signifikante Lerneffekte beobachtet werden. In ähnlicher Weise sind bei einer Reihe von Zahnbürsten Monitoring-, Feedback- und Trainingsfunktionen integriert. Somit scheint eine systematische Verbesserung des Putzverhaltens möglich. Gleichzeitig treten Zahnpasten mit neuen antibakteriellen Wirkstoffkonzentratio- nen (SnF 2 , SnCl 2 ) an, das Zahnfleischbluten und generell Zahnfleisch- erkrankungen zu reduzieren [Gerlach, 2018]. Eine Intensivierung der Analyse großer Datenmengen dürfte die Pro- phylaxe weiter stärken. Indes lassen sich fürs Scaling and Root Planing neue Chancen direkt auf der Messe in Köln „greifen“: klassische Hand- instrumente, piezokeramisch oder magnetorestriktiv arbeitende Ultra- schallgeräte, Pulverstrahlgeräte (ggf. unter Verwendung von Glycin- oder Erythritol-Pulvern). Zusätzliche bakterizide und hämostatische Effekte können Laser-gestützte Verfahren – selbst in anatomisch schwer zugänglichen Regionen – entfalten (photodynamische Therapie). Christian Ehrensberger Frankfurt am Main Interessante Trends auf der IDS – Prophylaxe/Parodontologie Vom Scaling und Root Planing bis zur „Big-Data-Prophylaxe“ Die Parodontologie ist ein im besten Sinne konservatives Gebiet, weil Therapie und Prophylaxe stets auf eine lange Zeitspanne ausgelegt sind. Und doch so dynamisch! Der Fokus liegt einmal auf mechanischen, ein andermal auf biologischen oder digitalen Strategien – oder auf einer Kombination. Wie die eigene Praxis zum Erfolg gelangt, zeigt die Internationale Dental-Schau, 12. bis 16. März 2019, in Köln. Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Das Sp ek trum d er M ittel zur Th e rap ie u nd Pr ophylaxe v on p ar odont a l e n St ö r u n ge n wächst dyn am is c h u nd r ei ch t h eut e vo n kl as - sischen Ha ndinstru m e nten b is z ur b re it en Un te rstützun g du rc h di gi ta le T ec hn olo g i e n. Foto: Koelnmesse / IDS Cologne / Harald Fleissner 56 Zahnmedizin

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