Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 109, Nr. 4, 16.2.2019, (314) Die Basis für die dentalen Keramiken sind in der Regel Gläser. Silikate bilden dabei die Rohstoffe für die Glas- und Keramikherstel- lung. Daher werden diese anorganischen, nichtmetallischen Werkstoffe oft auch als Glas- oder Silikatkeramiken bezeichnet. Dentale Keramiken unterscheiden sich von amorphen Gläsern durch ihren kristallinen Aufbau. So kann man durch geeignete Zu- sätze die Entstehung und das Wachstum von Kristallen forcieren und gezielt steuern und unterschiedliche Keramiken herstellen, deren Kristallstrukturen sich in Form und Größe – jeweils in Abhängigkeit von der stofflichen Zusammensetzung unterscheiden. Die Prozessparameter und die Temperatur- führung beeinflussen hierbei die entstehen- den Strukturen und werden daher gezielt eingesetzt, um das Anforderungsprofil an den jeweiligen Keramiktyp zu gewährleisten [Rosentritt et al., 2018a]. Fluorapatit (IPS Style, Ivoclar Vivadent), Leuzit (Empress 2, Ivoclar Vivadent) oder Lithiumaluminosilikat (n!ce, Straumann) be- ziehungsweise Lithiumdisilikat (IPS e.max, Ivoclar Vivadent) sind typische Vertreter von Keramiken mit unterschiedlichen Kristall- typen – und ihre Eigenschaften damit stark abhängig von ihrer Zusammensetzung. Die kristallinen Phasen können zur Optimierung der Eigenschaften der dentalen Keramiken modifiziert werden. Das Verhältnis von Li 2 O (Lithiumoxid) und SiO 2 (Siliziumdioxid) ent- scheidet darüber, welche kristalline Struktur und damit welche Lithium-(X)-silikatkeramik (Lithiumsilikat, Lithiumdisilikat, Lithiumalu- minosilikat) aus den Rohstoffen entsteht [Rosentritt et al., 2018b]. Eigenschaften In jeder Keramik sind Risse latent vorhanden oder können durch die Bearbeitung (Anpas- sen, Einschleifen) induziert werden. Diese Risse verlaufen jedoch im Unterschied zu je- nen in amorphen Gläsern nicht auf direktem Weg durch den Keramikwerkstoff, sondern werden durch die kristallinen Bereiche umgelenkt (Abbildung 1) [Rosentritt/Preis, 2018]. Dadurch entstehen Hindernisse für das Voranschreiten eines Risses, denn es müssen dafür längere Wegstrecken und mannigfaltige Richtungsänderungen über- wunden werden, was höhere Krafteinwir- kungen und wechselnde Kraftvektoren er- fordert. Dieser Mechanismus generiert Fes- tigkeit – die Keramik wird dadurch stabiler, etwaige Risse wachsen deutlich langsamer (unterkritisches Risswachstum). Dennoch erweitern sich Risse kontinuierlich bis zum späteren, dann plötzlich eintretenden Ver- sagen weiter [Shenoy/Shenoy, 2010; Silva et al., 2017]. Das ist auch der Grund dafür, warum manche Restauration ohne erkenn- baren Grund „spontan“ versagen kann. Eine schonende Bearbeitung (neue feine Diamanten, wenig Druck, Wasserkühlung) kann die Entstehung von Rissen verhindern, eine abschließende Politur und Glasur die Anzahl an Rissen und damit das Frakturrisiko reduzieren. Dentale Glaskeramiken besitzen auch andere lichtoptische Eigenschaften als klassische Gläser – durch die kristallinen Anteile wird das Licht im Material anders reflektiert und abgelenkt. Dadurch entsteht die dem Kleine Werkstoffkunde für Zahnärzte – Teil 2 Dentale Glaskeramiken Martin Rosentritt, Annett Kieschnick, Bogna Stawarczyk Dentale Keramiken haben eine enorme Entwicklung erfahren – insbesondere durch die subtraktive CAD/CAM-Fertigung. Allerdings herrscht aufgrund der Vielfalt der Materialien teilweise Verwirrung. Glas-, Feldspat-, Leuzit-, Lithiumsilikat-, Lithiumdisilikat- oder Lithiumaluminosilikatkeramik – hier die Übersicht zu behalten, ist eine Herausforderung. Abbildung 3: Keramikrohlinge für die CAD/CAM-Fertigung (Mitte: Rohling mit vorgefertigter Adaption an ein Abutment im vorkristallisierten („blauen“) Zustand) Foto: Martin Rosentritt 76 Zahnmedizin

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