Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 109, Nr. 5, 1.3.2019, (408) der Operationalisierung der Fragestellung, der Auswahl der Studien als auch in der Interpretation derselben.“ Recht geben BZÄK und KZBV den Autoren, dass es unmöglich sei, eine placebo-kontrol- lierte Interventionsstudie (Randomisierte kontrollierte Studien/RCT oder Klinische kontrollierte Studien/CCT) durchzuführen: Denn auch sie halten es ethisch für nicht vertretbar, den Teilnehmern der Kontroll- gruppe eine Therapie vorzuenthalten und sie damit höchstwahrscheinlich negativen Auswirkungen auszusetzen. Die Untersuchung der gewählten Endpunkte des IGES-Gut- achten mittels solcher Studiendesigns wäre in der Mehrzahl der Fälle mit gravierenden, irreversiblen Schäden wie Karies, Zahn- lockerung und Zahnverlust in der Kontroll- gruppe verbunden. Zudem würden der- artige Studien lange Beobachtungszeit- räume erfordern, was kaum umsetzbar sei, da eine Aufrechterhaltung der verschiedenen Gruppen über 20 bis 30 Jahre nur schwer möglich sei. Man merkt: Zahnärztliche Experten waren nicht dabei Den Standesvertretungen zufolge würde die Versorgung zusammenbrechen, wenn man beginnt, „jede Leistung aus dem Katalog der Leistungen der gesetzlichen Kranken- versicherung zu streichen, die den gestellten Anforderungen der ‚externen Evidenz‘ nicht genügt (unter ausschließlicher Heranziehung von Studien auf RCT-Niveau).“ Vielmehr sei den Befürwortern einer Ausgrenzung der Kieferorthopädie aus der gesetzlichen Krankenversicherung die Frage entgegen- zuhalten, „ob wir es uns als Gesellschaft leisten können und wollen, die Möglich- keiten, die dieses Fachgebiet der Zahnheil- kunde den Patienten bietet, ausschließlich Gesellschaftsschichten zu ermöglichen, die sich eine dann private Behandlung leisten können“. BZÄK und KZBV verweisen auch darauf, dass die Kieferorthopädie nicht nur ein Fachgebiet innerhalb der Zahnmedizin ist, sondern dass jeder angehende Zahnarzt eine universitäre Ausbildung im Bereich der Kieferorthopädie haben muss. Auch internationale Leitlinien kennzeichneten die eigenständige Professionalität des Fach- bereichs. Zwar habe auch das IGES in sei- nem Gutachten zwei Leitlinien identifiziert, jedoch nicht weiter zur Abbildung des Stan- dards für die kieferorthopädische Versorgung aufgegriffen. Damit fehle eine „neutrale Darstellung der Diagnostik- und Therapie- schritte in der kieferorthopädischen Be- handlung“. Einzelne Formulierungen im Gutachten seien zudem tendenziös und ständen in Widerspruch zu der notwendigen wissen- schaftlichen Neutralität: „So wird etwa zu den Kosten der kieferorthopädischen Behandlung das Postulat ‚Behandlungs- maßnahmen der KFO sind teuer‘ ohne Bezugspunkt in den Raum gestellt.“ Weiterer Kritikpunkt: In Bezug auf die Frage- stellung zu den therapeutischen Maßnahmen erfolge keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik. Im Gutachten würden lediglich intra- und extraorale Geräte erwähnt – eine Differenzierung zwischen heraus- nehmbaren und festsitzenden Apparaturen, zwischen Früh- und Spätbehandlungen unterbleibe jedoch. Für die Bewertung des Nutzens einer Maßnahme spiele es aber eine ganz entscheidende Rolle, welches extraorale Gerät explizit für welche Behand- lungsaufgabe einsetzt wird, stellen BZÄK und KZBV klar. Ebenso mache es bei den intraoralen Geräten einen ganz erheblichen Unterschied, ob der Nutzen von festsitzenden oder herausnehmbaren Geräten analysiert werden soll. KFO ist ein Fachgebiet der Zahnmedizin! „Alle diese Geräte mit ihren jeweils sehr spezifischen Indikationen und zum Teil sehr unterschiedlichen biologischen Wirkmecha- nismen unter dem Begriff ‚Interventionen intra- und extraoraler Geräte‘ zu subsumie- ren und dies zur Grundlage einer Evidenz- analyse eines ganzen Fachgebiets zu machen, erweist sich aus fachlicher Sicht als viel zu undifferenziert und führt zu Fehlinterpreta- tionen“, bilanzieren BZÄK und KZBV. Sie stoßen sich auch daran, dass bei der Anwen- dung der KIG-Systematik in der KFO im Gut- achten der Eindruck erweckt werde, diese sei ohne jeden wissenschaftlichen Bezug entstanden. Stattdessen konzentriere sich das Gutachten auf die international üblichen kieferorthopädischen Indizes IOTN, ICON, PAR und DAI: „Damit aber bleibt unberück- sichtigt, dass diese ganz unterschiedliche Anwendungen haben.“ So werde etwa der IOTN primär zur Objektivierung des kiefer- orthopädischen Behandlungsbedarfs heran- gezogen. Darüber hinaus stimmten die durch die Vorgaben der vertragszahnärztlichen kieferorthopädischen Behandlung beschrie- benen Patientengruppen nicht mit der Population überein, die mittels der Indizes IOTN, ICON, PAR und DAI in den selektier- ten Studien erfasst werden. Das bedeute im Ergebnis: „Das Gutachten leidet damit unter einer nicht zu vernachlässigenden Ver- zerrung (Bias).“ Die Regelversorgung ist ohne Zuzahlung! Zur Frage der Inanspruchnahme von Mehr- und Zusatzleistungen im Rahmen der ver- tragszahnärztlichen kieferorthopädischen Behandlung konstatiert das IGES-Gutachten, keine validen Zahlen festgestellt zu haben. BZÄK und KZBV stellen klar, dass fachzahn- ärztlich unbestritten ist, dass die Regel- versorgung eine angemessene Versorgung ohne Zuzahlung vorhält. Freilich gebe es jedoch auch in der Kieferorthopädie Maß- nahmen, die den Komfort für den Patienten verbessern können. Im Gegenzug sollte eine Inanspruchnahme von Mehr- oder Zusatz- leistungen aber nicht dazu führen, dass die Grundleistung dem Versicherten nicht mehr zusteht. Gerade hierzu habe die KZBV unter wissenschaftlicher Begleitung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde (DGZMK) und der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) 2016 eine Vereinbarung mit dem Berufs- verband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) zur kieferorthopädischen Versorgung getroffen, die sinnvolle und für die Patien- ten transparente Wege dazu aufzeigt, verdeutlichen BZÄK und KZBV in ihrer Stellungnahme. sg 34 Zahnmedizin

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