Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05
zm 109, Nr. 5, 1.3.2019, (413) heblichen Gewissenskonflikt zutage, da ihm bekannt ist, dass er zur Ausübung der Zahn- heilkunde nicht berechtigt ist. Als er jedoch als junger Meister sein Labor eröffnete, konnte er nur schleppend Zahnärzte als Kunden gewinnen. Fast jeder zweite Zahn- arzt, dessen Praxis er aufsuchte, fragte ihn, ob er denn auch Praxisaufgaben im Labor übernehmen würde. M. sah sich gezwungen, einzuwilligen, und installierte eine zahnärzt- liche Behandlungseinheit im Labor. Regel- mäßig schicken ihm Zahnärzte Patienten für Bissnahmen, zum Entfernen und Einsetzen von Provisorien, zum Anpassen und Ein- schleifen von Zahnersatz und Schienen – und manchmal sogar auch, wie jetzt, für endgültige Eingliederungen. M. sieht sich in dem Dilemma, trotz der rechtlichen Grenzen die „Bedingungen des Marktes“ erfüllen zu müssen, wie sie ihm durch eine ganze Reihe seiner zahnärztlichen Kunden aufgezwungen werden. Er kennt kein Labor, das nicht unter den gleichen Zwängen arbeitet. Würde er sich dem ver- weigern, wäre sein Labor durch den Wegfall dieser Kunden schlicht nicht mehr rentabel. Für Zahntechniker M. stellt sich die Frage, ob und wie er diesem Dilemma entkommen kann, da er keinem Patienten einen weiteren Schaden zufügen möchte. Soll und darf er die zu ihm geschickten Patienten über diese Zwangslage aufklären, die ja nicht nur ihm als Zahntechniker schadet, sondern gerade auch den Patienten erhebliches Leid bescheren kann? Darf oder muss er sogar die Patienten über die Unzulässigkeit und Gefährlichkeit der von ihm verlangten Maß- nahmen aufklären? Darf er den betroffenen Patienten gar nahelegen, einen anderen Zahnarzt, möglicherweise aus seinem Kun- denstamm, aufzusuchen? Sollte er sich an seine Zahntechnikerinnung oder die Zahn- ärztekammer wenden, damit diese unter Wahrung seiner Anonymität auf die Zahn- ärzte einwirken? Dr. Eberhard Riedel Wolfratshauser Str. 189 81479 München e_riedel@msn.com Zum Zeitpunkt des beschriebenen Fallstatus ist eine lösungsorientierte Reflexion des ethischen Dilemmas bereits zu spät. Diese hätte spätestens erfolgen müssen, als der Patient den Zahntechnikermeister M. mit dem Anliegen einer Behandlung aufsuchte. Mehr zeitlicher Spielraum erscheint zwar auch dann noch wünschenswert, wäre aber nur durch eine frühzeitige und grund- legende Erörterung mit dem Zahnarzt im zeitlichen Zusammenhang mit der Forderung realisierbar gewesen. Formaljuristisch ist die zahnärztliche Tätig- keit im „Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde“ geregelt. Gleichzeitig gel- ten die verabschiedeten Berufsordnungen der einzelnen Kammern. Auf Basis dieser Gesetze und Verordnungen wird klar, dass kein erweiterter juristischer Spielraum ent- steht, wenn ein Fall ethisch hinterfragt wird. Dennoch geht die professionelle Beziehung zwischen Patient und Zahnarzt über den gesetzlichen Aspekt hinaus. Professionelles Handeln erfordert die Reflexion eines Falls mit der berufseigenen Ethik. In der Praxis spiegelt sich dies darin wider, dass sich der Wert der Arzt-Patienten-Beziehung im Sinne des „informed consent“ in den ver- gangenen Jahrzehnten sukzessive weiter- entwickelt hat. Letztlich geht es vor dem Hintergrund der Prinzipienethik immer um die Autonomie des Patienten, dessen Wohlergehen (Bene- fizienz), die Vermeidung von Schaden (Non-Malefizienz) und dessen gerechte Behandlung. Patientenautonomie: Prinzipiell gelangt die Autonomie des Pa- tienten dort an ihre Grenzen, wo gesetzliche Regelungen seinem Wunsch entgegenstehen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Richt- linien das moderne (Zahn)Arzt-Patienten- Verhältnis abbilden. Es geht nicht um die Frage, ob ein Zahnarzt aus wirtschaftlichen Erwägungen seinem Zahntechniker den Auftrag erteilt, einen Patienten zu behandeln. Dies ist ethisch per se abzulehnen, da das Wohlergehen des Patienten unter primär wirtschaftlichen Aspekten keine Rolle spielen würde. Auch im hier zu erörternden Fall ist das Einsetzen der implantatprothetischen Arbeit aus ethi- scher Sicht nicht zu rechtfertigen. Jede Behandlung im Mund des Patienten ist ein Eingriff in dessen Integrität, für die der Zahntechniker keine Ausbildung besitzt. Dennoch gibt es Fälle, in denen ein indivi- dueller Zeitdruck vorliegt – beispielsweise eine anstehende Urlaubsreise, eine bevor- stehende Hochzeit oder ein längerer Kran- kenhausaufenthalt. Der Zahnarzt muss in solchen Situationen abwägen, wie weit ein Hinzuziehen des Zahntechnikers gehen darf. Eine Übertragung der zahnärztlichen Be- handlung an den Zahntechniker ist jedoch ethisch nicht vertretbar, selbst wenn es durch den autonomen Willen des Patienten gedeckt wäre. Benefizienz: Im vorliegenden Fall ist das Wohlergehen des Patienten aus den Augen verloren worden. Dies gilt für Zahnarzt und Zahntechniker gleichermaßen. Für beide standen eher wirt- schaftliche Erwägungen im Vordergrund, die die Bedingung, dem Patienten eine sichere und zielgerichtete Behandlung zukommen zu lassen, außer Acht ließen. Somit lagen keine ethisch rechtfertigenden Gründe vor. Läge ein bereits erwähnter individueller Zeitdruck vor, dann erscheint es statthaft, eine engere Mit- beteiligung des Zahntechnikers unter Auf- sicht des Zahnarztes am Behandlungsverlauf in Betracht zu ziehen, um zeitlichen Limita- tionen des Patienten gerecht zu werden. Kommentar von Dr. Dr. Mike Jacob Es gibt keine Rechtfertigung für das Einsetzen von ZE! 39
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