Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 109, Nr. 6, 16.3.2019, (564) Warum haben Sie sich als Zahnärzte für ein Z-MVZ entschieden? Was hat Sie an dem Job gereizt? Welche Möglichkeiten hat man Ihnen in Aussicht gestellt? Als Erstes lässt sich natürlich eine gewisse Neugierde nicht leugnen. Wir alle haben schon Erfahrungen in anderen Praxisformen sammeln können, sei es in einer Mehrbehandlerpraxis oder an einer Zahnklinik. Die Eckdaten haben sich allesamt wirklich sehr gut angehört: feste Arbeitszeiten in einem Schichtsystem, Einarbeiten in einem großen zahnärztlichen Team mit stetigem kollegialen Austausch, interne und externe Fortbildungsmöglichkeiten und natürlich nicht zuletzt die Verdienstmöglichkeiten. Ganz konkret: Was wurde im Einstellungsgespräch besprochen und wie lief es in der Realität? Im Einstellungsgespräch, das etwa eine bis eineinhalb Stunden gedauert hat, wurden ganz klar die Vorteile eines Z-MVZ für uns Zahnärzte dargestellt. Ein Schichtsystem mit festen Arbeitszeiten im wöchentlichen Wechsel sollte vorher nicht vorhandene Freiheiten er- möglichen. Teil eines jungen, kollegialen Teams sein zu können und auch jederzeit Hilfe in Anspruch nehmen zu können – sei es durch einen Chirurgen oder einen betreuenden Oberarzt – waren weitere Themenpunkte. Für alle Mitarbeiter wurde ein Fortbildungsbudget pro Jahr für externe Fortbildungen und zusätzlich auch für interne Fortbildungen als weiterer Pluspunkt genannt. Hierfür sollte es auch zwei Fortbildungstage pro Kalenderjahr geben. Das Gehaltsmodell wurde besprochen: Hier gab es ein garantiertes Festgehalt und zu- sätzlich eine Umsatzbeteiligung. Bereits im Einstellungsgespräch wurde uns versprochen, dass aufgrund der Gegebenheiten im Z-MVZ weit überdurchschnittliche Honorarumsätze möglich sind, nicht vergleichbar mit den übrigen Praxisformen. Am Ende wurde uns die Klinik gezeigt und ein festes Datum vorgegeben, bis wann wir unsere Entscheidung mitteilen sollen. Ein Mitlaufen oder Probe- arbeiten wurde kategorisch ausgeschlossen. In der Realität sah das dann alles etwas anders aus: Es gab keine ge- planten Pausen – es wurde durchgearbeitet. Bei einem voll bestellten Terminplan gestaltete sich sogar der Toilettenbesuch schwierig. Ein Zuschauen bei anderen Behandlern oder interessanten Behandlungen, zum Beispiel bei Absagen von eigenen Patienten, war untersagt. Auch hat die versprochene Hilfe und Betreuung nicht bei allen von uns funktioniert. Es gab einen sehr eng getakteten Zeitplan und auch Vorgaben, in welcher Zeit die Patienten zu behandeln sind. So sollte zum Beispiel kein Schmerzpatient länger als 15 Minuten warten, was bei einem Großteil der Behandlungen lediglich eine kurzzeitige Schmerzbeseitigung möglich machte, beispielsweise durch Anti- biotikagabe. Für eine vernünftige und richtige Ursachentherapie stand keine Zeit zur Verfügung. Zudem wurden wir darauf trainiert, alles irgendwie Abrechenbare auch zur Abrechnung zu bringen. Welche Aufgaben hatten Sie als Zahnarzt? Gab es Zielvorgaben? Wenn ja, gab es Boni beziehungsweise Incentives? Die vorrangige Aufgabe war die Schmerzbehandlung mit den eben erwähnten Vorgaben. Ansonsten wurden uns die Patienten mit den zu erledigenden Arbeiten zugewiesen. Für die einzelnen Behandlungen wurde auch eine Behandlungsdauer vorgeschrieben. Es gab ganz klare Zielvorgaben und eine Umsatzübersicht des Vortages von allen Behandlern, damit jeder sehen konnte, wie der eigene Umsatz aus- gesehen hat und wie er im Vergleich zu den anderen Zahnärzten da- steht. Das gewünschte zahnärztliche Mindesttageshonorar lag bei 1.600 Euro. Außer der Umsatzbeteiligung gab es keine weiteren Boni. Hatten Sie sich Ihren Job so vorgestellt? Definitiv nicht. Bei all unseren Stellen bisher stand der Patient im Mittelpunkt, im Z-MVZ ausschließlich die Finanzen. Das Patienten- wohl spielt im Alltag keine nennenswerte Rolle. Es geht ausschließ- lich darum, in einer möglichst kurzen Zeit möglichst viele Leistungen zur Abrechnung zu bringen. Der allergrößte Teil der Leistungen wird einem vorgegeben und auch die Zeit, in der diese Leistungen zu er- bringen sind. Alle Karteikarteneinträge werden täglich kontrolliert, dabei werden zusätzliche abrechenbare Leistungen eingetragen, ohne dass der behandelnde Zahnarzt hierüber informiert wird. Ein viel zu eng getakteter Zeitplan führt zu einer überproportionalen Antibiotika- gabe. Auch eine Vielzahl an AU-Verordnungen ist unnötig und zu lang. Wie sieht die Personalstruktur aus? Wer hat das Sagen und wer trifft welche Entscheidungen? Gab es für die Patienten- aufklärung und -behandlung Vorgaben? Eine Therapiefreiheit gibt es definitiv nicht. Alles ist bis ins letzte De- tail inklusive der zu verwendenden Materialien vorgegeben. Auch die Zahnersatz-Auswahl ist sehr beschränkt auf alles, was im Eigenla- bor hergestellt werden kann. So gibt es zum Beispiel keine Goldver- sorgungen, keine GeschiebeArbeiten. Auch durfte für die Arbeiten, ? ? ? ? ? „Therapiefreiheit gibt es nicht!“ Umsatz-, Therapie- und Verordnungsvorgaben, gefälschte Bewertungen und Psychoterror – ein weiterer Skandal um eine Dentalkette im Ausland? Nein. Mehrere angestellte Zahnärzte berichten hier erstmals – anonym – von ihrem Arbeitsalltag in einem großen deutschen Zahnmedizinischen Versorgungszentrum. Foto: by-studio – stock.adobe.com Unser Ansprechpartner, Zahnarzt X, hat sich an die zm gewandt, um die unhaltbaren Zustände in „seinem“ Z-MVZ öffentlich zu machen. Sein Name ist der Redaktion bekannt. Aus Angst vor negativen Folgen will er anonym bleiben. 14 Inside Z-MVZ

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