Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 109, Nr. 6, 16.3.2019, (580) Die Entstehung von Parodontitis und Karies ist multifaktoriell und zu großen Teilen verhaltensbedingt. Zu den krankheitsför- dernden Verhaltensweisen gehören unter anderem die Akkumulation von Zahnbelag, Nikotinkonsum, ein frequenter Konsum von einfachen, prozessierten Kohlenhydraten und Mangelernährung sowie dysfunktioneller Stress [Grossi et al., 1994; Hujoel, 2009; Chapple et al., 2017]. Auch die Therapieansätze basieren im We- sentlichen auf dem Verhalten des Patienten, wie unter anderem eine suffiziente Mund- hygiene, eine (regelmäßige) Inanspruch- nahme von zahnärztlichen Maßnahmen, eine gesunde Ernährung und Raucher- entwöhnung [Eickholz et al., 2008; Geurtsen et al., 2013; Fiorini et al., 2013]. Dement- sprechend sollte die professionelle Unter- stützung von Verhaltensänderungen ein Kernaspekt in der zahnärztlichen Praxis sein. Eine evidenzbasierte Methode, um Verhal- tensänderungen nachhaltig zu unterstützen, ist das Motivational Interviewing (MI, deutsch: Motivierende Gesprächsführung) nach Miller & Rollnick [2015]. Für den Ein- satz von MI gibt es gute Studiennachweise in vielen unterschiedlichen Gesundheits- feldern wie zur Raucherentwöhnung, zur Ernährungsumstellung oder zur Förderung der körperlichen Aktivität [Lundahl et al., 2013]. Das gilt auch für den Bereich der Mundgesundheit [Gao et al., 2014; Kopp et al., 2017]. Besonders eindrucksvolle Ergeb- nisse zeigten sich dabei in der Beratung von Eltern zur Prävention der kindlichen Karies [Weinstein et al., 2004; Weinstein et al., 2006], der parodontaltherapeutischen Mundhygieneförderung in Zusammenhang mit anderen psychologischen Modellen [Jönsson et al., 2010; Jönsson et al., 2012] und der Raucherentwöhnung durch Stu- dierende der Zahnmedizin [Schoonheim- Klein et al., 2013]. Dabei konnte in letztge- nannter Studie ein positiver Einfluss sowohl auf das Rauchverhalten der Patienten als auch der beratenden Studierenden gezeigt werden. Warum der Patient motiviert werden muss MI wird von Miller und Rollnick als „eine partnerschaftliche, zielorientierte Kommu- nikationsmethode mit besonderem Augen- merk auf der Veränderungssprache des Patienten“ definiert. Durch Erkunden und Hervorrufen von individuellen Veränderungs- gründen soll die persönliche Motivation und die Selbstverpflichtung zum Erreichen eines bestimmten Ziels gestärkt werden. MI findet in einer Atmosphäre von Akzeptanz und Mitgefühl statt [Miller und Rollnick, 2015]. MI lässt sich dabei strukturiert und ver- gleichsweise schnell – in Workshops von 8 bis 24 Stunden Trainingsdauer – lernen, wobei für eine professionelle Ausübung immer wieder Supervision und Feedback in Anspruch genommen werden sollten [Madson et al., 2009]. Zudem weisen Miller und Rollnick darauf hin, dass ein 16-Stunden- Workshop zwar geeignet ist, prinzipielle Grundlagen von MI zu lernen, wie beim Erlernen eines Instruments ist jedoch konti- nuierliches Training und Fokussierung not- wendig [Miller und Rollnick, 2009]. E-Learning-Tool eMI-med Patientenkommunikation online lernen Johan Wölber, Sascha Fuhrmann, Götz Fabry, Andreas Jähne, Cornelia Schulz, Milena Isailov-Schöchlin, Elmar Hellwig, Petra Ratka-Krüger Ihn zu motivieren gehört zu den größten Herausforderungen im Gespräch mit dem Patienten. Um Sie dabei besser zu unterstützen, hat ein Team aus Zahn- ärzten, Psychologen und Wissenschaftlern der Universität Freiburg jetzt das E-Learning-Tool eMI-med entwickelt: Am Rechner erfahren Sie, wie die „Motivierende Gesprächsführung“ funktioniert – und wie Sie mit ihrer Hilfe die Adhärenz des Patienten fördern. Bei den simulierten interaktiven Gesprächssequenzen muss der Anwender kommunikative Entscheidungen treffen, auf die er dann eine Patientenreaktion erhält. Foto: Wölber 30 Praxis

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