Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06
zm 109, Nr. 6, 16.3.2019, (602) ausschlaggebend für den Erfolg vitalerhal- tender Maßnahmen sei [Akhlaghi et al., 2015; Schuurs et al., 2000]. Jedoch weisen Dentin- adhäsive aufgrund der enthaltenen Mono- mere eine toxische Wirkung auf [Costa et al., 2000; Dammaschke et al., 2010b], die pulpanah durch die feuchtigkeitsbedingte unvollständige Polymerisation weitgehend bestehen bleibt [Modena et al., 2009]. Auch wurde Bestandteilen von Dentinadhäsiven ein mineralisationshemmender Effekt auf Pulpazellen nachgewiesen [Galler et al., 2011]. Dentinadhäsive und Komposite sind grundsätzlich nicht biokompatibel [Costa et al., 2000] und daher als Überkappungs- material abzulehnen [Akhlaghi et al., 2015]. 6.3. Hydraulische Zemente auf Kalzium- silikatbasis Mit der Einführung hydraulischer Kalzium- silikatzemente wie Mineral Trioxid Aggregat (MTA) wird wässriges Kalziumhydroxid mitt- lerweile nicht mehr als Mittel der 1. Wahl zur Vitalerhaltung der Pulpa angesehen [Akhlaghi et al., 2015; Cao et al., 2016]. Hydraulische Kalziumsilikatzemente sind werkstoffkundlich ähnlich den aus der Bau- industrie bekannten Portlandzementen. Sie werden als „hydraulisch“ bezeichnet, da sie sowohl an der Luft als auch unter Wasser er- härten und beständig sind [Berzins, 2014]. Kalziumsilikat-Zemente bestehen hauptsäch- lich aus Di- und Trikalziumsilikat und werden mit Wasser angemischt. Bei der Reaktion und der anschließenden Aushärtung wird über einen längeren Zeitraum Kalziumhydroxid freigesetzt [Berzins, 2014], wodurch sich die anhaltenden antibakteriellen Eigenschaften erklären [Parirokh, 2010]. Hydraulische Kal- ziumsilikatzemente sind biokompatibel und fördern die Hartgewebsbildung von Pulpa- zellen [Zanini et al., 2012]. Mineralanteile aus dem Zement interagieren mit dem Den- tin [Atmeh et al., 2012], wodurch sich eine Dentinhaftung ähnlich der von Glasionomer- zementen ergibt [Kaup et al., 2015]. Der Vorteil im Vergleich zu Kalziumhydroxid- Produkten liegt in der höheren mechanischen Festigkeit, der geringeren Löslichkeit und dem dichteren Verschluss [Dammaschke et al., 2014]. Auch wenn mehr klinische Lang- zeitstudien zur Vitalerhaltung der Pulpa mit hydraulischen Kalziumsilikatzementen wün- schenswert wären, scheinen diese nach bis- heriger Datenlage für die Überkappung der Pulpa besser geeignet als Kalziumhydroxid [Akhlaghi et al., 2015; Hilton et al., 2013; Kundzina et al., 2017; Mente et al., 2014]. Hydraulische Kalziumsilikatzemente können zu Verfärbungen der Zahnhartsubstanz füh- ren, was besonders bei Frontzähnen, zum Beispiel nach Trauma, problematisch sein kann [Mozynska et al., 2017]. Ursächlich sind enthaltene Schwermetalle wie zum Beispiel Bismutoxid als Röntgenkontrastmittel [Berger et al., 2014; Dettwiler et al. 2016] oder auch Eisen [Shokouhinejad et al., 2016]. Dabei spielt vor allem die Oxidation dieser Metalle nach Kontakt mit Natriumhypochlorit oder die Aufnahme von Blutbestandteilen eine Rolle [Camilleri, 2014; Lenherr et al., 2012; Shokouhinejad et al., 2016]. Bei hydrau- lischen Kalziumsilikatzementen, die weniger oder kaum Schwermetalle enthalten, fällt die mögliche Zahnverfärbung geringer aus. Besonders farbstabil erscheinen Kalziumsilikat- zemente, die Zirkonoxid oder Tantaloxid als Röntgenkontrastmittel enthalten. So konnten Lipski et al. (2018) 18 Monate nach direkter Überkappung mit solch einem Zement in keinem Fall eine gräuliche Verfärbung der Zähne feststellen. In Anwesenheit von Blut wurden allerdings auch für diese Materialien in vitro Verfärbungen nachgewiesen [Sho- kouhinejad et al., 2016]. Bei vitalerhaltenden Maßnahmen nach Pulpafreilegung ist der Kontakt dieser Überkappungsmaterialien zu Blut zwar unvermeidbar, allerdings scheint deren Verwendung aus ästhetischer Sicht zumindest im Seitenzahngebiet unproble- matisch zu sein [Mozynska et al., 2017]. \ Hydraulische Kalziumsilikatzemente scheinen nach bisheriger Datenlage für die Überkappung der im Rahmen der Karies- exkavation exponierten Pulpa besser ge- eignet als Kalziumhydroxid. 7. Vitalerhaltung nach traumabedingter Pulpaexposition Die Exposition der Pulpa nach Zahntrauma bietet in den meisten Fällen eine ideale Voraussetzung für vitalerhaltende Maß- nahmen, sofern diese korrekt durchgeführt werden und keine Vorschädigung der Pulpa vorliegt. Zur Simulation der Bedingungen nach dentalem Trauma wurden in einer älteren tierexperimentellen Studie an Affen Kronen- frakturen mit Pulpafreilegung induziert. Die drei Stunden, zwei sowie sieben Tage in di- rektem Kontakt zur Mundhöhle stehenden Pulpen wurden anschließend histologisch untersucht. In Abhängigkeit von der Zeit- dauer der Exposition wurden entzündliche Pulpaveränderungen festgestellt, die jedoch auch nach bis zu sieben Tagen auf die koro- nalen 2 mm beschränkt blieben [Cvek et al., 1982]. Die Ergebnisse konnten 1983 durch Heide und Mjör bestätigt werden und legen nahe, dass die partielle Pulpotomie mit Ent- fernung von 2 mm Pulpagewebe im koronalen Bereich auch nach mehreren Tagen in Kontakt zur Mundhöhle noch erfolgreich sein kann [Heide et al., 1983]. Zu berücksichtigen ist, dass bei begleitender Dislokationsverletzung des frakturierten Zahns die Durchblutung und damit die Abwehrfähigkeit der Pulpa kom- promittiert sein kann [Robertson et al., 2000]. \ Die traumatische Pulpaexposition bietet meist ideale Voraussetzungen für die Aus- heilung nach vitalerhaltenden Maßnahmen. 8. Vitalerhaltung nach kariesbedingter Pulpaexposition Im Vergleich zu Zähnen mit traumatischer Schädigung ist nach kariöser Exposition stets eine Vorschädigung der Pulpa durch den bereits seit mehr oder weniger langer Zeit bestehenden Kontakt zu bakteriellen Toxinen oder sogar den Bakterien selbst gegeben. Dabei wirken sich Läsionsgröße, Keimspek- trum sowie Geschwindigkeit des Fortschrei- tens der Läsion auf den Pulpastatus aus. Bei der Versorgung des pulpanahen Dentins im Sinne einer indirekten Überkappung sind die Übergänge zur direkten Überkappung fließend. Selbst bei einer verbleibenden Dentinschicht wird über das Anschneiden von Odontoblastenfortsätzen im pulpanahen Dentin die Pulpa in Mitleidenschaft gezogen. Auch kann das Pulpagewebe punktförmig 52 Vitalerhaltung der Pulpa
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