Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 109, Nr. 6, 16.3.2019, (604) gleich dazu ist bei der vollständigen Pulpo- tomie längerfristig das Risiko für Oblitera- tionen erhöht. Während in den ersten zwei Jahren das Risiko als sehr gering eingestuft wird [Asgary et al., 2016; Galani et al., 2017; Simon et al., 2013], treten partielle Oblitera- tionen in 30 Prozent der Fälle nach einer mittleren Beobachtungszeit von drei Jahren [Linsuwanont et al., 2017] und in knapp 40 Prozent der Fälle nach einer mittleren Beob- achtungszeit von 4,8 Jahren auf. Vitalerhaltende Maßnahmen nach Trauma bieten eine hohe Erfolgssicherheit, sofern die Pulpa nicht vorgeschädigt oder die Durchblutung durch eine begleitende Dislokationsverletzung kompromittiert ist. Für die direkte Überkappung mit Kalzium- hydroxid wird die Prognose mit 54 bis 90 Prozent angegeben [Fuks et al., 1982; Hecova et al., 2010; Ravn, 1982]. Die par- tielle Pulpotomie mit dem gleichen Material weist mit 86 bis 100 Prozent eine höhere Erfolgssicherheit auf [Alqaderi et al., 2016; Cvek, 1978; Cvek, 1993; Cvek et al., 1983; de Blanco, 1996; Hecova et al., 2010; Wang et al., 2017] und ist somit zu favorisieren. Es bleibt abzuwarten, ob die bereits mit Kalziumhydroxidsuspension erzielte hohe Erfolgssicherheit bei der partiellen Pulpoto- mie nach traumatischer Pulpafreilegung bei Einsatz hydraulischer Kalziumsilikatzemente um einen klinisch relevanten Betrag erhöht werden kann [Krastl et al., 2014]. Obwohl die Bedingungen für die Vitalerhal- tung nach Pulpaexposition im Rahmen der Kariesexkavation ungünstiger erscheinen als nach traumatischer Exposition, sind den- noch gute Erfolgsraten möglich. Diese liegen bei der indirekten Überkappung bei Ver- wendung von Kalziumhydroxidpräparaten nach drei bis zehn Jahren zwischen 62 und 98 Prozent [Akhlaghi et al., 2015; Ingle et al., 1985]. Bezüglich hydraulischer Kalzium- silikatzemente und indirekter Überkappung finden sich derzeit kaum Studien in der Lite- ratur, so dass weitere Untersuchungen dies- bezüglich notwendig erscheinen [Parirokh et al., 2018]. Klinisch und radiologisch zeig- ten Zähne nach indirekter Überkappung mit MTA nach drei Monaten höhere Erfolgs- raten als nach Verwendung eines erhärten- den Kalziumsalicylatester-Zements (Dycal, Dentsply Sirona, Konstanz). Nach sechs Monaten relativierte sich dieses Ergebnis allerdings [Leye Benoist et al., 2012]. Die in der Literatur angeführten Erfolgsraten für die direkte Überkappung nach Pulpa- exposition im Rahmen der Kariesexkavation schwanken stark [Barthel et al., 2000; Hilton et al., 2013; Mente et al., 2014]. Unter der Voraussetzung der korrekten Indikations- stellung und technischen Durchführung kann die direkte Überkappung mit Kalzium- hydroxid nach zehn Jahren Erfolgsraten von knapp 60 Prozent erreichen [Mente et al., 2014; Willershausen et al., 2011]. Nach Anwendung hydraulischer Kalziumsilikat- zemente wie Mineral Trioxide Aggregat (MTA) liegen diese jedoch mit etwa 80 Pro- zent höher [Hilton et al., 2013; Kundzina et al., 2017; Lipski et al., 2018; Mente et al., 2014]. Für die partielle Pulpotomie nach Karies- exkavation unter Verwendung hydraulischer Kalziumsilikatzemente werden die Erfolgs- raten nach zwei Jahren mit 85 bis 97 Prozent [Chailertvanitkul et al., 2014; Ozgur et al., 2017; Taha et al., 2017] und nach vier Jah- ren mit knapp 94 Prozent angegeben [Mass et al., 2011]. Für die vollständige Pulpotomie unter Verwendung hydraulischer Kalziumsilikat- zemente liegen die Erfolgsraten nach einem bis fünf Jahren bei 74 bis 100 Prozent [Asgary et al., 2013; Asgary et al., 2015; Asgary et al., 2018; Galani et al., 2017; Linsuwanont et al., 2017; Nosrat et al., 2013; Qudeimat et al., 2017; Simon et al., 2013; Taha et al., 2017]. Besonders hervorzuheben ist, dass in den erwähnten Studien zur voll- ständigen Pulpotomie auch Zähne mit der Diagnose irreversible Pulpitis eingeschlossen wurden. Sollten weitere Studien diese ersten Daten auch über längere Zeiträume bestäti- gen, könnte man zukünftig die Indikation für vitalerhaltende Maßnahmen auf Zähne mit bereits irreversibel geschädigten Pulpa- arealen (Diagnose irreversible Pulpitis) er- weitern, und im Zuge einer partiellen oder vollständigen Pulpotomie diese Areale ge- zielt entfernen, um einen Vitalerhalt der ver- bleibenden Pulpa zu ermöglichen. Trotz insgesamt günstiger Daten für vital- erhaltende endodontische Maßnahmen nach Pulpaexposition im Rahmen der Kariesexkavation steht mit der selektiven beziehungsweise der zweizeitigen Karies- exkavation eine weitere Behandlungsalter- native zur Verfügung, die möglicherweise vergleichbare Erfolge aufweist. Verglichen mit den oben genannten vitalerhaltenden Maßnahmen nach Pulpafreilegung im Zuge der Kariesexkavation liegen die 5-Jahres-Er- folgsraten bei der selektiven Kariesexkavation bei 80 Prozent und bei der schrittweisen Kariesexkavation bei 56 Prozent [Maltz et al., 2018]. Ein klinisch relevanter Unterschied hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Pulpaüberkappung oder Pulpotomie gegenüber der selektiven und auch der schrittweisen Kariesexkavation lässt sich demnach nicht feststellen. Zum direkten Vergleich der beiden Behand- lungsstrategien existiert derzeit lediglich eine klinische Untersuchung, deren 1- und 5-Jahresdaten publiziert wurden [Bjørndal et al., 2017; Bjørndal et al., 2010]. In dieser Studie wurde die Prognose der zweizeitigen Exkavation mit der Prognose nach voll- ständiger Exkavation mit anschließender direkter Überkappung beziehungsweise partieller Pulpotomie verglichen. Während nach zweizeitiger Kariesexkavation eine Vitalerhaltung der Pulpa nach fünf Jahren in 60 Prozent der Fälle möglich war, lag die Prognose nach direkter Überkappung mit 6 Prozent und nach partieller Pulpotomie mit 11 Prozent im gleichen Zeitraum weit unter den Erfolgsraten vitalerhaltender Maßnahmen in den anderen Studien. Als wahrscheinlichste Ursache wird diskutiert, dass in dieser klinischen Studie nach Über- kappung beziehungsweise partieller Pulpo- tomie die Kavität für die ersten 8 bis 10 Wochen lediglich mit einem provisorischen Verschluss statt einer sofortigen definitiven Restauration versehen wurde [Bjørndal et al., 2017]. Weiterhin sind die fehlende Des- infektion nach Eröffnung der Pulpa sowie die Wahl des Überkappungsmaterials (Dycal) als problematisch anzusehen. Diese Fakto- ren mögen zu den niedrigen Erfolgsraten in dieser Studie beigetragen haben. Die Daten decken sich nicht mit den Angaben in der restlichen Literatur, die bei korrekter Indika- tion und Durchführung vitalerhaltenen 54 Vitalerhaltung der Pulpa

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