Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 109, Nr. 6, 16.3.2019, (632) Schätzungen zufolge sind in der Bundes- republik etwa 1.500 Menschen von den ver- schiedenen Subtypen des EDS betroffen. Rund 50 Prozent der Betroffenen können ihre Nasenspitze mit der Zunge berühren (Gorlin-Zeichen) [Inamadar AC, 2004]. Die Mundschleimhaut ist oftmals dünn und kann leicht einreißen (insbesondere beim klassischen und beim hypermobilen Typ), auch kann das Zungen- oder Lippenbänd- chen fehlen [Abel MD, 2006]. Des Weiteren wird eine erhöhte Neigung zur Gingivitis und Parodontitis beschrieben (insbesondere beim klassischen und beim vaskulären Typ), bei EDS-Typ-8 werden schwere Parodontiti- den bereits im Kindes- und jungen Erwach- senenalter mit frühzeitigem Zahnverlust be- schrieben [Kapferer-Seebacher, 2017]. Auch werden vermehrt Erosionen und Ulkus- bildungen der Mundschleimhäute beob- achtet [Abel MD, 2006]. Craniomandibuläre Dysfunktionen und Kiefergelenksluxationen können ebenfalls auftreten [Mitakides, 2017; Mitakides, 2018]. Zahnanomalien, besonders beim klassischen und beim hypermobilen EDS, umfassen Formanomalien der Zahn- kronen und Zahnwurzeln, Pulpensteine sowie Schmelz- und Dentindefekte mit er- höhter Anfälligkeit für kariöse Läsionen [Abel MD, 2006]. Allgemeine Empfehlungen Aufgrund der Veränderungen der Zahnhart- substanz haben Menschen mit EDS ein höheres Risiko Karies zu entwickeln, ebenso besteht bei allen Typen ein höheres Risiko zu Gingivitis und Parodontitis aufgrund der Veränderungen des Bindegewebes. In der Folge können Zahnentfernungen, Abszess- oder Parodontalbehandlungen notwendig werden. Hier gilt, dass alle Patienten mit EDS ein höheres Risiko für intra- oder post- operative Blutungen aufweisen. Folglich sollten prophylaktische Maßnahmen erfol- gen, um – soweit möglich – invasive zahn- ärztliche Maßnahmen zu vermeiden. Empfehlungen für die zahnärztliche Therapie \ Blutungsneigung Grundsätzlich kann bei Patienten mit EDS ein höheres Risiko für intra- oder post- operative Blutungen bestehen [Létourneau Y, 2001]. Aufgrund dessen empfehlen wir, die Patienten in Anlehnung an die aktuelle S3-Leitlinie zu behandeln [S3-Leitlinie Zahn- ärztliche Chirurgie unter oraler Antikoagula- tion/Thrombozytenaggregationshemmung, AWMF-Registriernummer 083–018]. Hierzu empfehlen wir konkret ein atrauma- tisches Vorgehen und die lokale Anwendung von hämostyptischen Maßnahmen (zum Beispiel Einlage von Kollagen, Adaptations- nähte, Tranexamsäure, Verbandsplatte) und die Patienten auf dieses Risiko hinzuweisen. Von einer prophylaktischen plastischen Deckung der Extraktionswunden raten wir nicht nur aufgrund der erhöhten Blutungs- neigung, sondern auch wegen der verstärk- ten Narbenbildung ab. \ Lokalanästhesie Auch finden sich Berichte, wonach die Wirkung der Lokalanästhesie unzureichend sein kann [Hakim, 2005]. In dem Fall sollte ein übermäßiges „Nachanästhesieren“ ver- mieden werden, da – bedingt durch die veränderte Bindegewebsstruktur – relative Überdosierungen und daraus resultierende erhöhte Serum-Konzentrationen mit ent- sprechenden systemischen Nebenwirkungen entstehen können. Insgesamt ist die Datenlage bezüglich der fehlenden Wirksamkeit der Lokalanästhesie sowie der erhöhten Blutungsneigung bisher jedoch spärlich und lässt keine evidenz- basierte Therapieempfehlung zu. Somit beruhen die Angaben weitgehend auf Expertenmeinungen. \ Mundschleimhaut Aufgrund des EDS neigen Patienten zu verstärkter und unkalkulierbarer Narben- bildung [Abel, 2006]. Dies sollte bei allen zahnärztlich-chirurgischen Maßnahmen be- rücksichtigt werden. \ Parodontitistherapie Da bei allen Typen des EDS ein höheres Risiko zur Entwicklung einer Gingivitis und Parodontitis aufgrund der Veränderungen des Bindegewebes besteht, können PA- Therapien vermehrt notwendig werden [Kapferer-Seebacher, 2017]. \ Herausnehmbarer Zahnersatz Generell bestehen bei der Anfertigung von herausnehmbarem Zahnersatz keine spezi- fischen Besonderheiten für EDS, jedoch wer- den häufiger durch Druckstellen und scharfe Kanten verursachte Ulzerationen beschrieben. Eine regelmäßige Kontrolle und Anpassung des Zahnersatzes ist daher erforderlich. \ Wurzelkanalbehandlungen Da bei EDS vermehrt Pulpensteine oder Wur- zelanomalien auftreten können [Létourneau Y, 2001], kann es zu Schwierigkeiten bei Eine seltene Erkrankung und ihre zahnärztlich-therapeutische Konsequenz Ehlers-Danlos-Syndrome Marcel Hanisch, Jens Bodem Die Ehlers-Danlos-Syndrome (EDS) bilden eine heterogene Gruppe erblicher Erkrankungen des Bindegewebes mit schlaffen Gelenken, überelastischer Haut und Brüchigkeit der Gewebe. Aktuell wurde eine neue Klassifikation des EDS vor- gestellt, wonach eine Unterteilung anhand klinischer Kriterien in 13 Subtypen erfolgt. Jeder Subtyp zeigt dabei seine eigenen charakteristischen Merkmale. 82 Zahnmedizin

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