Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06
zm 109, Nr. 6, 16.3.2019, (642) bildung erhielt sie ein Lehrzeugnis und er- öffnete in Trier ein sogenanntes Zahnärzt- liches Atelier. Das Praxisschild wird in der Sammlung gezeigt. Dass eine Ehefrau und Mutter einen solchen Weg ging, der durch das Gesetz zur Gewerbefreiheit erlaubt war, rief in der damaligen Zeit auch einigen Pro- test hervor. Zahnärztliches Besteck von 1943 „Trotz Anfeindungen hatte sich [...] bald in Trier herum gesprochen, dass Josephine Sauerwein ihr Handwerk verstand.“ Wie ihr Sohn, der Zahnarzt Dr. Nikolaus Sauerwein, berichtete, „waren es anfangs ihrer Tätigkeit die Nonnen verschiedener Trierer Klöster, die ihre Patientinnen wurden. Bei einer Frau brauchten sich die Nonnen nicht zu schämen, ihre Haube auszuziehen“. Die „Nönnchen zogen [...] die ‚Kleriker‘ nach, es kamen immer mehr Patienten“ (zitiert von der Texttafel in der Sammlung). 1911 eröffnete Sauerwein mit ihren beiden Söhnen eine Gemein- schaftspraxis, 1925 starb sie in Trier. Neben der Schädelsammlung bilden die Behandlungsstühle einen Schwerpunkt der Sammlung. Präsentiert wird unter anderem ein Feldlazarettstuhl aus dem Zweiten Weltkrieg, dazu passend ein zahnärztliches Instrumentenbesteck aus dem Jahr 1943 auf dem Originalarbeitstisch von Korkhaus‘ Zahntechniker. Die weitere Entwicklung der Behandlungsstühle in der zahnärztlichen Pra- xis verdeutlicht der von Siemens 1951 auf den Markt gebrachte „Adjutor“. Korkhaus hat den Stuhl mit entwickelt – er zählte zum Gründungsmobiliar der Zahnklinik in Bonn. Zum Stuhl gehörten auch auf Schienen montierte Schränke, die an den Stuhl heran- gefahren werden konnten. Die Siemens- kugel, ein Röntgengerät, das ab 1933 ge- baut wurde, ist ein weiterer Bestandteil aus einer Zahnarztpraxis. Chronologisch weiter geht es mit einem Stuhl, den die US-amerikanische Firma Ritter Ende der 1950er- / Anfang der 1960er-Jahre produziert hat. Der Behandlungsstuhl besaß eine sehr hohe Qualität und fasste praktisch mehrere Instrumente an einer Stelle zusam- men. Problem beim damaligen Bohrer war, dass die Antriebsriemen außen und offen lagen, so dass zum Beispiel die Gefahr be- Vitrine mit Artikulatoren Die Siemens-Röntgenkugel wurde ab 1933 gebaut. stand, dass Haare hineingezogen werden konnten. Ein Bohrer, der Haare frisst Ein weiterer Schwerpunkt der Sammlung: zahnärztliche Instrumente wie Pelikane, Hebel oder Spritzensysteme, die aus dem 18. Jahrhundert bis 20. Jahrhundert stam- men. Gezeigt wird etwa ein Set der Firma Maillet von Anfang des 20. Jahrhunderts für Goldhämmer-Füllungen. Einen guten Überblick zeigt die Sammlung auch zur Entwicklung der Artikulatoren. So werden Artikulatoren vom Schweizer Zahn- mediziner Alfred Gysi (1865–1957) wie der „Gysi Trubyte“ von 1926 präsentiert oder ein Artikulator der Firma Seitz und Haag, den Korkhaus mitentwickelt hat und der in Bonn bei der Ausbildung der Studenten ver- wendet wurde. Buchtipp: Rheinische Wunderkammer, 200 Objekte aus 200 Jahren Universität Bonn 1818–2018, Herausgegeben von Klaus Herkenrath und Thomas Becker mit Fotografien von Volker Lannert, Göttingen 2017, ISBN: 978–3–8353–3139–6. Darin werden auch neun Exponate der Gustav-Korkhaus-Sammlung beschrieben. Kay Lutze, M.A., Historiker Diesen Mumienkopf aus der Zeit 100 v. Chr. brachte Korkhaus aus Kairo mit. An den Zähnen sind deutliche Kariesspuren zu sehen. Beim Bohrer des Ritterstuhls aus den 1950ern drohten Haare ins Instrument zu geraten. Foto: Kay Lutze Gustav Korkhaus war 29 Jahre Präsident der DGKFO – mehr erfahren Sie auf zm-online. Pionier der Kieferorthopädie ZM - ONLINE 92 Gesellschaft
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=