Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 109, Nr. 8, 16.4.2019, (826) Das Leitlinienbüro in Bonn stellt ein Materia- lien-Standardpaket zur Verfügung, das unter anderem Informationen für Kinder- und Jugendliche und professionsspezifische Aufklärungsbögen für das Gespräch mit den Kindern beinhaltet. Alle Infos dazu unter: https://www.dgkim.de/kinderschutzleitlinie/ materialanforderungen Bis Ende August werden eine Kurzfassung der Leitlinie, eine Version für die Jugendhilfe und Pädagogik und weitere Kitteltaschenkarten (voraussichtlich ab Juni auch für Zahnärzte) fertiggestellt und auf den genannten Websites veröffentlicht. Außerdem soll die App „pilani Kinder schützen“ weiterentwickelt und damit die Inhalte der Leitlinie für Fachkräfte bereitgestellt werden. Pilani ist derzeit eine Website und App für Kinder und Jugendliche, die sie über ihre Rechte informiert und Hilfe bei Misshandlung, Vernachlässigung und/oder Missbrauch anbietet (https://www.pilani.de/) . Die folgenden Handlungsempfehlungen werden im Kapitel „Zahnärztliche Unter- suchung“ der Kinderschutzleitlinie speziell für Zahnärzte aufgelistet: Evidenzbasierte Handlungsempfehlung: Zahnärzte sollen bei Kindern oder Jugend- lichen mit Karies vor der Verdachts- diagnose (dentale) Vernachlässigung und nach Ausschluss von Differenzialdiagnosen für Zahnhartsubstanzdefekte mehrere Fak- toren mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten oder Bezugspersonen besprechen: \ Beeinträchtigung durch die Karies, \ Dauer und Ausprägung der Karies, \ Kenntnis und Bewusstsein der Personen- sorgeberechtigten oder Bezugspersonen in Bezug auf Mundgesundheit \ die Bereitschaft und Fähigkeit zur zahn- ärztlichen Behandlung der Kinder und Jugendlichen, \ Verfügbarkeiten der und Bereitschaft zur zahnärztlichen Versorgung. Statement: Wurden Personensorgeberechtigte oder Bezugspersonen über die Art und das Aus- maß der (kariösen) Erkrankungen ihres Kindes, den Nutzen einer Behandlung, die spezifischen Behandlungsoptionen und den Zugang zu diesen Behandlungsoptionen zur Abwendung von weiterführenden Schäden informiert und enthalten sie ihren Kindern eine indikationsgerechte zahnärztliche Behandlung und/oder er- forderliche Unterstützung bei der Mund- hygiene vor, ist dies ein gewichtiger Anhaltspunkt für eine Vernachlässigung. Evidenzbasierte Handlungsempfehlung : Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung, -missbrauch und/oder -vernachlässigung sollten Zahnärzte die strukturierte medi- zinische Diagnostik (zum Beispiel laut Diagnoseschlüssel OPS 1–945) einleiten. Die Empfehlung richtet sich an Zahnärzte, die in einem Krankenhaus arbeiten. Die strukturierte medizinische Diagnostik beinhaltet: 1. multiprofessionelle Arbeit, 2. strukturiertes und mehrstufiges Vor- gehen, 3. Partizipation der Kinder und Jugend- lichen, 4. Beteiligung der Personensorgeberech- tigten, 5. Dokumentation, 6. Beteiligung der Jugendhilfe. Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKP): Zahnärzte sollen bei Verdacht auf Kindes- wohlgefährdung nach dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinder- schutz (KKG) vorgehen. Die Empfehlung richtet sich an Zahnärzte unabhängig von deren Arbeitsplatz. Das KKG fordert (wenn möglich) die Be- sprechung mit Kindern und Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten über den Verdacht einer Kindeswohlgefähr- dung und beinhaltet das Recht der Angehörigen des Personenkreises auf eine Beratung durch eine sogenannte „insoweit erfahrene Fachkraft (IeF)“. KKG mit Plausibilitätsnachweis: Jede orale Verletzung sollte genau doku- mentiert werden. Liegt kein akzidentelles Trauma oder eine zweifelhafte Anamnese vor, sollte dem Verdacht auf eine körper- liche Misshandlung als Ursache nachge- gangen werden. Ärzte und Zahnärzte soll- ten bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung die strukturierte medizinische Diagnostik (zum Beispiel laut OPS 1–945) einleiten und nach dem Ge- setz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) vorgehen. Die Empfehlung richtet sich an alle zahn- ärztlich oder im MKG-Bereich tätigen Personen. Der strukturierte medizinische Diagnostik richtet sich insbesondere an Zahnärzte, die in einem Krankenhaus arbeiten. Weiterhin empfiehlt die Leitlinie in den medizinischen Kapiteln Punkte, die auch für Zahnärzte relevant sind: \ Fortbildung: Ärzte (einschließlich ihrer Teams), die Früherkennungsuntersuchun- gen und andere Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche durchführen, sollen zur Erkennung von Kindesmiss- handlung, -missbrauch und/oder -ver- nachlässigung sensibilisiert und fortgebildet werden. \ Fachdisziplinen einschalten: Bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf miss- handlungsbedingte Hautverletzungen und ohne gesicherte Diagnose einer kör- perlichen Misshandlung sollten frühzeitig Fachdisziplinen (zum Beispiel Dermatolo- gie, Rechtsmedizin, Ärzte mit Kinder- schutzerfahrung) hinzugezogen werden. Zur Erläuterung: Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) wurde 2011 verab- schiedet und legt eine Mitverantwortung des Staates beim Kinderschutz fest. Es sieht Kinderschutznetzwerke und Frühe Hilfen vor. Für Ärzte, Hebammen, Psycho- logen, Lehrer und Sozialarbeitern fixiert es den Rechtsanspruch auf Beratung durch „insoweit erfahrene Fachkräfte“ (IeF). Diese eigens für diese Tätigkeit zertifizierten Kinderschutzfachkräfte helfen, qualifizierte Hilfs- und Schutzkonzepte für das betref- fende Kind auf den Weg zu bringen. Sie werden von Amts wegen tätig. Der ICD-Code OPS 1–945 legt eine standardisierte und multiprofessionelle Diagnostik bei Verdacht auf Kindeswohl- gefährdung im stationären Setting fest. Die Handlungsempfehlungen für Zahnärzte 20 Kinderschutz-Leitlinie
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