Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 109, Nr. 8, 16.4.2019, (862) Eine 22-jährige Patientin ohne Neben- erkrankung und Begleitmedikation wurde nach Entfernung des Zahnes 36 alio loco vor circa sechs Monaten mit einer persistie- renden Schwellung im Bereich des linken Unterkieferseitenzahnbereichs an die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz überwiesen. Der Hauszahnarzt empfahl eine abwartende Haltung, da es sich bei der Schwellung höchstwahrscheinlich um ein Resthämatom handele. Klinisch konnte eine harte, scharf begrenzte, auf den linken Unterkieferwinkel lokalisierte Schwellung von circa 2 cm x 2 cm ertastet werden. Diese Raumforderung war leicht verschieblich und nicht druck- schmerzhaft. Die Mundöffnung war nicht eingeschränkt, es bestanden weder Schmer- zen noch waren auffällige Lymphknoten palpabel. Auch radiologisch ließen sich keine Auffäl- ligkeiten darstellen (Abbildung 1). Aufgrund der lang anhaltenden Persistenz und auf Wunsch der Patientin entschieden wir uns für eine chirurgische Inspektion mit Option auf Entfernung des Tumors. Analog zur Schnittführung der Weisheitszahnentfernung wurde das Gewebe Regio 36 marginal mit einer mesialen und distalen Entlastung er- öffnet und ein Spaltlappen gebildet. Bis zur verdächtigen Raumforderung wurde stumpf mit der Schere präpariert (Abbildung 2), wobei sich die Läsion schließlich als abge- kapselte Struktur darstellte, die sich sehr gut aus dem umliegenden Gewebe entfernen ließ. Das klinische Erscheinungsbild der Raumforderung entsprach am ehesten der eines Lipoms (Abbildung 3). Nach komplet- ter Entfernung der Raumforderung (Abbil- dung 4) wurde die Wunde mit Nähten speicheldicht verschlossen (Abbildung 5). Die histopathologische Untersuchung ergab eine abszedierende, floride Entzündung aus zahlreichen Histiozyten und massenhaft neutrophilen Granulozyten sowie eine große Aktinomyces-Druse im Zentrum der Läsion. Der chirurgischen Therapie schloss sich eine über zwei Monate erstreckende Therapie mit Amoxicillin und Clavulansäure an. Diskussion Die Aktinomykose ist eine seltene, nicht ansteckende bakterielle Infektion mit einer mittleren Inkubationszeit von vier Wochen. Die Infektion ist meist eine Misch- infektion mit Aktinomyzeten (hauptsächlich Actinomyces israelii / > 50 Prozent und A. gerencseriae / >25 Prozent) als Leitkeim; diese anaeroben Bakterien, die pilzartig ver- zweigte Filamente bilden, kommen in der Mundhöhle ortsständig als Saprophyten vor. Die Aktinomykose manifestiert sich am häufigsten im jungen Erwachsenenalter, wobei Männer mehr als doppelt so häufig wie Frauen betroffen sind. Die häufigste Form (55 Prozent) ist die Aktinomykose des Kopfes und des Halses, aber auch abdomi- nale (25 Prozent) und thorakale (15 Pro- Der besondere Fall mit CME Aktinomyces-Druse nach Zahnentfernung Moritz Boeddinghaus, Peer W. Kämmerer Bei einer jungen Patientin stellte sich ungefähr ein halbes Jahr nach Entfernung eines Molaren im linken Unterkieferseitenzahnbereich eine persistierende Schwellung an der Osteotomiestelle dar, die den Befund einer Actinomyces-Druse ergab. Alle Fotos: M. Boeddinghaus Kliniker präsentieren Fälle mit hohem diagnostischem Schwierigkeitsgrad. 56 Zahnmedizin

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=