Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (11) in ein Mehrfamilienhaus ein, aus dem eine Mutter des Nachts noch ihr Baby retten konnte. Von der löschenden Feuerwehr war zu hören, die gesamte Altstadt sei noch von zahlreichen uralten Stromkabeln durchzogen. - Anderer Fall: der Robodent, die navigierte Implantologie. Aus Insiderkreisen weiß man, dass bei mancher Implantation ein Gewissenskonflikt entsteht, ob man lieber da bohrt, wo man im Mund hinsieht, oder dahin, wo- hin einen der Bildschirm führt. - Nächstes Beispiel: Die Robodoc- geschädigten Hüftgelenk-Ope- rierten: Sie können ein Lied von allzu blindem Vertrauen in eine Computer-gesteuerte Welt singen. In China wird derzeit eine Soft- ware zur Gesichtserkennung entwickelt, die es der Regierung ermöglichen wird, über den Gesichtsausdruck des Smart- phone-Benutzers festzustellen, ob es ernst gemeint war, wenn ein Bürger die Partei im „Social- Network“ gelobt hat. Wir Bil- dungsbürger brauchen uns hier in Deutschland nicht zu ängsti- gen, dass bei uns auch einmal Daten in falsche Hände geraten, Gesundheitsminister Jens Spahn beruhigt: „Ich werde die elek- tronische Patientenakte voran- treiben – Hacker hin oder her.“ Da kann man sich nur noch Inspiration erhoffen von der kommenden Ausstellung des Regimekritikers Ai Weiwei in den Häusern der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düssel- dorf. Den Angehörigen der hie- sigen KZV und der Zahnärzte- kammer würde ich ein paar Mußestunden dort gönnen, um über Fluchtgründe aus der Heimat und über Grundrechte nachzudenken. Sie haben es ja nicht weit. Überhaupt muss ich feststellen, dass hier praktizierende ausländische Kollegen, die eine Flucht vor politischer Verfolgung oder nur Einschränkung ihrer Freiheit und von Menschen- rechten erlebt haben, mehr für dieses Thema sensibilisiert sind als einheimische Kollegen, die wie ich in Frieden und Freiheit groß geworden sind. Die Zahnärztin und Medizin- historikerin der TU Dresden Prof. Dr. Caris-Petra Heidel hat in ihrer Publikation von 2016 „... total fertig mit dem National- sozialismus? Die unendliche Geschichte der Zahnmedizin im Nationalsozialismus“ u. a. darge- stellt, wie die damalige zahnärzt- liche Standesvertretung neben der Durchsetzung der Rassen- gesetze politisch missliebige Kollegen und Kolleginnen im Schulterschluss mit den Natio- nalsozialisten ausschaltete. Das aktuelle Ultimatum mit bevor- stehendem Strafabzug von 1% Honorar lässt bei mir Warn- lampen aufleuchten und setzt unschöne Denkprozesse in Gang. Ich frage mich, ob ein gleiches Buch in einigen Jahrzehnten noch einmal geschrieben werden kann, bei dem nur das Wort „National- sozialismus“ durch „Technokra- tie“ ersetzt sein wird. Wenn ich dann auf die Frage meiner Kinder „Warum hast Du Dich denn nicht gewehrt, Papa?“ antworten muss: „Es haben doch alle mitgemacht; wir mussten doch, wir konnten doch nicht wissen, was das zur Folge haben würde!“ Dann habe ich aus der Geschichte nichts gelernt und nichts aus den Fehlern, die in der Nazizeit begangen wurden. Wie sagte Ovid: „Wehret den An- fängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langsames Zögern erstarkt sind.“ Dr. Holger Kaufmann, Viersen Anzeige 1/2 hoch xxx
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