Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (18) Bei der EU-Kommission ist eine neue Strate- gie erkennbar, mit der sie der Mobilität in Europa mehr Auftrieb verschaffen will: Sie begleitet die aktuelle Diskussion über die Zukunft des Berufsrechts gezielt mit der Beauftragung wissenschaftlicher Studien und lässt untersuchen, inwieweit nationale Berufsregeln ein Hemmnis für den freien Dienstleistungsverkehr in Europa darstellen. Wurzel: die EU-Binnen- marktstrategie Hintergrund dieses Vorgehens ist die Ver- abschiedung der EU-Binnenmarktstrategie im Oktober 2015 und die daraus folgende Vorbereitung des sogenannten Dienstleis- tungspakets (2017). Als Maßnahme aus dem Dienstleistungspaket wurde im Som- mer 2018 die Richtlinie über die Verhältnis- mäßigkeitsprüfung verabschiedet, sie soll bis zum nächsten Jahr in nationales Recht umgesetzt werden. (Weitere Vorschläge des Dienstleistungspakets, etwa die Einführung einer EU-Dienstleistungskarte, die im Wider- spruch zum Binnenmarkt gestanden hätten, waren zuvor am Widerstand des Rates ge- scheitert.) Thematisch standen bei den bisher von der Kommission in Auftrag gegebenen Untersu- chungen zunächst ökonomische Folgen des Abbaus von beruflichen Regelungen imMit- telpunkt. Neu ist, dass die Kommission jetzt den Schwerpunkt auf die Zusammenhänge von Berufsrecht und Qualität bei den regu- lierten Dienstleistungen verschoben hat. Und dass die Gesundheitsberufe, die bisher von den Regelungen ausgenommen waren, immer mehr in den Fokus rücken. Folgende Untersuchungen liegen derzeit vor: \ Fallstudien aus sechs Ländern: Im Januar 2017 wurden zeitgleich zu den Vorschlägen des Dienstleistungspakets sechs Fallstudien veröffentlicht. Sie tragen den Titel: „The effects of reforms of regulatory requirements to access professions: country- based case studies“ (Die Auswirkungen der Reform der regulatorischen Anforderungen für den Zugang zu Berufen: Länderbasierte Fallstudien). Die Fallstudien beziehen sich auf Deutschland (Folgen der Novellierung der Handwerksordnung 2004), Griechen- land (Folgen der Deregulierung aufgrund der Eurokrise bei elf Berufen einschließlich der Zahnärzte), Österreich (Folgen der De- regulierung bei den Freien Berufen), Polen (Folgen der Deregulierung bei verschiedenen Berufen inklusive Rechtsanwälte und Steuer- berater), Italien (Untersuchung der Reformen von 2006 bei Apothekern) sowie Großbri- tannien (Untersuchung verschiedener De- regulierungsmaßnahmen). Als Tendenz der Fallstudien ist die Aussage feststellbar, dass weniger Regulierung den Markt vorantreibt. \ Auswirkungen beruflicher Regulierung auf den Arbeitsmarkt: Ebenfalls im Januar 2017 wurde die Studie „Measuring prevalence and labour market impacts of occupational regulation in the EU“ (Messung der Prävalenz und der Aus- wirkungen der beruflichen Regulierung in der EU auf den Arbeitsmarkt) veröffentlicht. Die beiden Autoren, Dr. Maria Koumenta (UK) und Dr. Mario Pagliero (IT), hatten be- reits die genannten länderbasierten Fall- studien zu Großbritannien beziehungsweise Italien verfasst. Sie kommen zu der Einschät- zung, dass 22 Prozent der Arbeitnehmer in der EU beruflicher Regulierung unterliegen, deren Löhne im Vergleich vier Prozent höher sind. In den regulierten Berufen findet sich ein Drittel weniger ausländische Arbeit- nehmer. Durch weniger striktes Berufsrecht könnten bis zu 700.000 neue Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden. Und je nach Beruf könnten zwischen drei und neun Pro- zent mehr Menschen dort arbeiten, wenn die Zulassungsvoraussetzungen gelockert würden. \ Auswirkung der Regulierung auf die Dienstleistungsqualität: Im Januar 2019 wurde die Studie „Effects of regulation on service quality – Evidence from six European cases“ (Auswirkungen der Regulierung auf die Dienstleistungsqualität – Belege aus sechs europäischen Fällen) ver- öffentlicht. Die Autoren sind erneut Dr. Koumenta (UK) und Dr. Pagliero (IT) sowie Dr. Davud Rostam-Afschar (DE), der die oben genannte Fallstudie zur Reform der deutschen Handwerksordnung verfasst hatte. Mit dieser Studie wird erstmals der Zusammenhang zwischen berufsrechtlicher Regulierung und Qualität in den Fokus gerückt. Diese Studie hatte das Ziel, das Ver- ständnis der Beziehung zwischen Berufs- regulierung und Dienstleistungsqualität zu vertiefen und zur Entwicklung empirischer Forschungsmethoden und -strategien zur Analyse dieser komplexen Beziehung beizu- tragen. Dazu wurden unter anderem die Studien der EU-Kommission zum Berufsrecht Heilberufe rücken in den Fokus Die EU-Kommission begleitet die aktuelle Diskussion zur Zukunft des Berufsrechts gezielt durch Studien: Sie sollen die Auswirkungen beruflicher Regeln auf den freien EU-Binnenmarkt prüfen. Laut Kommission tun sich hier Hindernisse auf. Deswegen geraten auch die Berufsregeln der Heilberufe immer mehr in den Fokus – und werden seit Kurzem mit der Qualität von Leistungen in Verbindung gebracht. Ist durch mehr Markt die Qualität in Gefahr? Und sind auch die Zahn- ärzte betroffen? Die BZÄK warnt vor einer Aufweichung des Berufsrechts. Die EU-Kommission will die Berufsregeln anfassen – die BZÄK warnt vor einer Aufweichung des Berufsrechts. Illustration: AdobeStock/wetzkaz 18 Politik
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