Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (36) Methamphetamin (MA) wurde erstmals 1893 in Japan synthetisiert [Hamamoto et al., 2009]. Politisches und militärisches Interesse fand die Substanz durch ihre enthemmende und vor allem Vigilanz steigernde Wirkung. Sie wurde 1939/40 in den „Blitzkriegen“ gegen Polen und Frankreich von den Wehrmachts- soldaten großzügig als „Hitler-Speed“ oder Zusatz in der „Panzerschokolade“ konsu- miert. Nachdem die umfangreichen Neben- wirkungen der Droge zutage traten, wurde Methamphetamin 1941 in Deutschland als Betäubungsmittel eingestuft. Nach den 80er-Jahren publizierte ein Che- miker unter dem Pseudonym „Uncle Fester“ die „Secrets of Methamphetamine Manu- facture“, eine im Internet frei verfügbare Anleitung zur MA-Produktion [Fester, 2009]. In Europa führte dies aufgrund der lockeren Gesetzgebung vor allem in Tschechien zur Entstehung von MA-Labors und Hinterhof- „Drogenküchen“. In der Folge wurden ins- besondere die deutschen Grenzregionen zu Tschechien mit Drogenimporten förmlich überschwemmt [FAZ, 2014]. Das Meth-mouth-Syndrom Bei chronischem Crystal-Meth(CM)-Konsum wurde eine Vielzahl körperlicher und psy- chischer Langzeitwirkungen, beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, strukturelle Hirnschädigungen und Persönlichkeitsver- änderungen, beobachtet [Hamamoto et al., 2009]. In der aktuellen Literatur werden außerdem schwerwiegende Auswirkungen auf die Zahn-, Mund- und Kieferregion be- schrieben [Hamamoto et al., 2009; Rhodus et al., 2008]. In den USA, wo nach Schät- zungen knapp ein Drittel der weltweit über 30 Millionen CM-Abhängigen lebt, wurde 2005 erstmals der Begriff des „Meth mouth“ in der Fachliteratur genannt [Hamamoto et al., 2009; Rhodus et al., 2005] (Abbildung 1). Dabei wurden fünf Kardinalsymptome beschrieben: 1. Grassierende Karies (Abbil- dungen 2 und 3), 2. Gingivitis und Parodon- titis, 3. Xerostomie, 4. Bruximus und 5. Tris- mus [Hamamoto et al., 2009; Rhodus et al., 2008]. Zielsetzung und Studiendesign Im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen der Universitätsklinik für Mund- Kiefer-Gesichtschirurgie der TU München am Klinikum rechts der Isar und den Sucht- kliniken des Bezirks Oberfranken (Hochstadt, Bayreuth) wurden in einer Untersuchung Crystal Meth Der „Meth mouth“: Symptomatik, Diagnostik, Therapie Niklas Rommel, Herbert Deppe, Marco Kesting Die Szene-Droge „Crystal Meth“ mit dem hochaktiven Wirkstoff Methamphetamin hat sich im vergangenen Jahrzehnt rasant in der Bundesrepublik verbreitet. Der Konsum ist auch an schwerwiegenden Veränderungen innerhalb der Zahn-, Mund- und Kieferregion zu erkennen, wodurch sich der Begriff „Meth mouth“ etabliert hat. Die TU München hat die Auswirkungen der Droge bezogen auf die Zahnmedizin systematisch aufgearbeitet. Abbildung 1: „Meth mouth“: Desolater Zahnstatus bei einer 21-jährigen Frau nach 18-monatigem CM-Konsum Foto9: MKG TU München Europas Top-Ten-Städte mit der höchsten Crystal-Meth-Spur im Ab- wasser, angegeben in mg pro 1.000 Menschen: 10. Jyväskylä (Finnland): 46,1 mg 9. Barcelona (Spanien): 47,9 mg 8. Kaunas (Litauen): 56,5 mg 7. Piestany (Slowakei): 81,9 mg 6. Budweis (Tschechien): 111,2 mg 5. Brno (Tschechien): 114,7 mg 4. Bratislava (Slowakei): 138,2 mg 3. Dresden: 174,6 mg 2. Chemnitz: 196,2 mg 1. Erfurt: 211,3 mg European Centre for Drugs and Drug Addiction 2018 Meth in Europa konsumiert? Wo wird das meiste Crystal 36 Zahnmedizin
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