Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (40) gesteigerte Produktion des Entzündungs- mediators Interleukin-1-Beta unter MA- Einfluss und somit ein erhöhtes Risiko für parodontale Erkrankungen sein [Tipton et al., 2010]. Darüber hinaus bewirkt MA einen signifikanten Anstieg von Leukozyten, Makrophagen und der proinflammatorischen Zytokine IFN-Gamma, TNF-Alpha, und IL-6 sowie einen signifikanten Abfall von CD3 + -T-Zellen [Peerzada et al., 2013]. Auch wurden eine eingeschränkte antivirale Aktivität und eine verminderte CD14-Ex- pression beschrieben. Zusammenfassend kann somit von einer Abschwächung des Immunsystems mit ge- steigerten Entzündungsreaktionen unter MA-Einfluss ausgegangen werden, wovon bei chronischem MA-Konsum explizit auch der Zahnhalteapparat betroffen ist. Bruxismus wird als weiterer Einflussfaktor auf die Zahn-, Mund- und Kiefergesundheit von MA-Konsumenten diskutiert [Curtis, 2006]. Ein pharmakologischer Effekt von MA resultiert aus einer Blockierung der Wiederaufnahme von Noradrenalin in die Vesikel, wodurch eine erhöhte Sympathikus- aktivität erfolgt [Lee et al., 1992]. Die über- mäßige neuromuskuläre Aktivität bei MA- Konsumenten kann hierbei zu einer para- funktionalen Kieferfunktion mit verstärktem Bruxismus führen [McGrath et al., 2005]. Auch tritt ein Trismus häufig bei chronischem MA-Konsum aufgrund der übermäßigen neuromuskulären Aktivität auf [Rhodus et al., 2008]. Parodontale Erkrankungen und temporo-mandibuläre Dysfunktionen kön- nen somit bei dauerhaftem Bruxismus und Trismus die Folge sein [Curtis, 2006]. Eine signifikant reduzierte maximale Mund- öffnung als Auswirkung eines möglichen Trismus war bei den CM-Konsumenten je- doch nicht ersichtlich. Eine Erklärung hierfür könnte eine verstärkte neuro-muskuläre Ak- tivität speziell in der akuten Konsumphase sein [Curtis, 2006], wobei in Phasen ohne Konsum eine „Erholung“ der Kaumuskula- tur und somit eine Reversibilität der Kiefer- gelenkssymptome eintreten könnte. Hin- gegen konnten bei einem Großteil aller CM- Konsumenten – 81 Prozent – übermäßige und unphysiologische Schlifffacetten an den Zähnen mit signifikantem Unterschied zur Kontrollgruppe festgestellt werden. Zusammenfassend ist daher im Kontext der klinischen Beobachtungen, der pharmako- logischen Effekte von MA sowie aktueller Beschreibungen in der Literatur vor allem von einem erhöhten Bruxismus-Risiko bei chronischem MA-Konsum auszugehen. MA-Konsumenten neigen häufig zu einem Begleitkonsum von weiteren suchtfördern- den Substanzen wie Cannabis, Stimulantien oder Sedativa [Turkyilmaz, 2010]. Cannabis- Konsumenten besitzen ein erhöhtes Risiko für Kariesbefall, Erkrankungen des Zahn- halteapparats und Xerostomie [Darling, 2003]. Auch die zusätzliche Einnahme von Stimulanzien (Kokain, Ecstasy) oder Sedativa (Opioide, Tranquilizer) kann eine Xerostomie hervorrufen [Brand et al., 2008; Chapman et al., 2010]. Somit ist der Begleitkonsum anderer illegaler Drogen ein relevanter Triggerfaktor bei der Entstehung des „Meth mouth“-Syndroms. Schlussfolgerung Chronischer CM-Konsum birgt langfristig ein hohes Schädigungspotenzial für die Zahn-, Mund- und Kieferregion. Dabei sind sowohl die direkten Auswirkungen der Sub- stanz mit resultierenden Symptomen wie Xerostomie, Bruxismus und Senkung der Speichelpufferkapazität als auch weitere Risikofaktoren wie toxischer Begleitkonsum anderer Suchtmittel, insuffiziente Mund- hygiene und mangelnde zahnärztliche Be- treuung zu sehen. Diese Gesamtkonstellation lässt das Risiko für Kariesläsionen, Erkran- kungen des Zahnhalteapparats und Kiefer- gelenksbeschwerden bei chronischem CM- Konsum massiv ansteigen. Aufgrund der schnellen Ausbreitung des CM-Konsums innerhalb der Bundesrepublik sind weitreichende soziale und – insbeson- dere – gesundheitliche Folgen bei den Be- troffenen zu erwarten. Diese Problematik wurde auch in der Gesundheitspolitik er- kannt. Im November 2015 fand in Berlin eine Tagung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zu dem Thema: „Meth- amphetaminkonsum (‚Crystal Meth‘), seine Folgen und Antworten für die Praxis“ statt. Im Rahmen dieser Tagung wurde die Brisanz der CM-Ausbreitung deutlich und die drin- gende Notwendigkeit entsprechender The- rapie- und Prophylaxemaßnahmen betont. Angeregt wurde unter anderem die Erstel- lung einer interdisziplinären S3-Leitlinie, die im Anschluss an die Tagung begonnen und im Dezember 2016 veröffentlicht wurde [DGPPN, 2016]. Da die Auswirkungen auf die Zahn-, Mund- und Kieferregion hierbei eine wichtige Rolle spielen, hat die Leitlinie ein eigenes Kapitel zum stomatognathen System mit spezifischen Therapie- und Pro- phylaxeempfehlungen. Diese umfassen so- wohl allgemeine als auch spezielle Hinweise und Empfehlungen für das zahnärztliche Fachpersonal, um zunächst einen CM-Kon- Abbildung 3: Multiple kariöse Läsionen im Approximalbereich der Frontzähne bei einem CM-Kon- sumenten Foto: MKG TU München 40 Zahnmedizin

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