Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (41) sum erkennen und im Anschluss entspre- chende prophylaktische und therapeutische Maßnahmen bezüglich des CM-typischen Symptomkomplexes einleiten zu können. Vor allem bei jungen Patienten, die über Mundtrockenheit, starkes Zähneknirschen und unerklärliche Veränderungen innerhalb der Mundhöhle klagen, sollte als Ursache ein CM-Konsum in Erwägung gezogen wer- den. Eine ausführliche zahnärztliche und ärztliche Anamneseerhebung ist somit indi- ziert [Klasser et al., 2005]. Bei Bestätigung eines CM-Konsums sollten der allgemeine Gesundheitszustand und der Infektions- status (HIV, Hepatitis) hinterfragt werden, zudem sollte eine detaillierte Anamnese über den Begleitkonsum weiterer Sucht- mittel erfolgen. Der Patient sollte über die Auswirkungen und Folgen seines CM-Kon- sums auf die Zahn-, Mund- und Kieferregion und die prophylaktischen und therapeutischen Möglichkeiten aufgeklärt werden. Falls er für eine medizinische Beratung empfänglich ist, ist die Konsultation eines Facharztes für Suchtmedizin oder einer suchtfachspezifischen Therapie- und Entzugsklinik wünschens- wert. Als präventive kariesprophylaktische Maß- nahme wird die Anwendung von topischen Fluoriden, remineralisierenden Produkten und Chlorhexidin empfohlen [Klasser et al., 2005]. Fluoride können hierbei als Tablette, Gel, Spülung oder Lack verabreicht werden. Bei Xerostomie besitzt ein neutrales Fluorid gegenüber einem sauren Fluorid den Vor- teil, den oralen pH-Wert gegenüber Säuren abzupuffern und somit die Remineralisation der Zahnhartsubstanz zu unterstützen [Donaldson et al., 2006]. Bei CM-induzier- ter Xerostomie wird somit insbesondere die Applikation eines neutralen Fluorids, bei- spielsweise Natriumfluorid, empfohlen. Zur Vorbeugung einer Xerostomie wird bei chronischem CM-Konsum geraten, mindes- tens acht bis zehn Gläser Wasser pro Tag zu trinken und diuretisch wirkende Substanzen wie Koffein, Tabak und Alkohol möglichst zu meiden [Klasser et al., 2005]. Speichel- ersatzmittel, orale Feuchtigkeitscremes oder künstlicher Speichel können zwar kurzfristig Abhilfe schaffen, verweilen jedoch aufgrund der hohen Viskosität nur kurz in der Mund- höhle [Hamamoto et al., 2009]. Eine weitere therapeutische Empfehlung stellt die pharma- kologische Stimulation der Speicheldrüsen mit dem Sialogoga Pilocarpin dar. Die para- sympathomimetische Wirkung von Pilco- carpin stimuliert die großen und kleinen Speicheldrüsen [Rhodus, 1997], wodurch neben Speichel auch vermehrt IgA aus den kleinen Speicheldrüsen sezerniert wird. Allerdings sollten vor der Verabreichung von Pilocarpin mögliche Kontraindikationen wie Hypertonie, Lungen- und Nierenerkrankun- gen oder kardiale Arrhythmien überprüft werden. Als einfache Alternative werden zuckerfreie Kaugummis für eine Anregung der Speichelproduktion beschrieben [Rhodus et al., 2008]. Zudem werden aufgrund der verminderten Pufferkapazität des Speichels und dem damit einhergehenden erhöhten Risiko für Erosionen eine Einschränkung saurer Nahrungsmittel sowie die Nutzung einer wenig abrasiven Zahnpasta mit gerin- gem Putzdruck empfohlen. CM-Konsumenten neigen zu übermäßigem Bruxismus mit resultierendem Zahnhartsub- stanzabrieb und -verschleiß sowie zu ver- stärkten Kiefergelenksbeschwerden und zu Verspannungen der Kaumuskulatur. Deshalb wird zum Schutz der Zahnhartsubstanz, zur Prävention von Kiefergelenksbeschwerden und zur Entspannung der Kaumuskulatur eine Relaxierungsschiene empfohlen. Des Weiteren können zur Relaxierung der Kau- muskulatur und zur Behandlung der kranio- mandibulären Schmerzsymptomatik physio- therapeutische Interventionen angeboten werden. Falls eine invasive zahnärztliche Maßnahme erforderlich wird, sind Paranoia, Ängste und paradoxe Schmerzsensationen bei der Therapieplanung zu berücksichtigen. Eine CM-Karenz von mehr als 24 Stunden vor einer zahnärztlichen Intervention ist dringend zu fordern, da der vasokonstriktorische Anteil im Lokalanästhetikum ein weiteres sympathikotones Triggern des Patienten hervorrufen kann. Schwerwiegende kardio- vaskuläre Ereignisse könnten die Folge sein. Somit ist die Verwendung eines Lokal- anästhetikums ohne Vasokonstringens zu empfehlen [Donaldson et al., 2006]. Bei deutlichen Anzeichen einer kürzlich erfolg- ten CM-Einnahme sollten akut indizierte Behandlungen nur unter Monitoringmaß- nahmen erfolgen. Im postoperativen Status sollte die Verschreibung opioidhaltiger Anal- getika aufgrund eines möglichen Abusus und von Atemdepression vermieden werden, nicht- steroidale Antiphlogistika bieten sich hier an [Donaldson et al., 2006]. Als invasiv-thera- peutische Maßnahmen bei Kariesläsionen wird bei fortgeschrittenem Kariesbefall die Extraktion des Zahns empfohlen. In einem frühen Stadium einer Zahnkaries sollten Glasionomerzemente und Kompomere als Füllungsmaterialien mit dem Vorteil einer Fluoridfreisetzung verwendet werden [Heng et al., 2008]. Im Rahmen ausgedehnter Sa- nierungen ist jedoch ein Vorgehen in Intu- bationsnarkose und das Konsultieren eines Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen beziehungs- weise Oralchirurgen indiziert. Dr. med. Dr. med. dent. Niklas Rommel Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Ismaninger Str. 22 81675 München Univ.-Prof. Dr. med. dent. Herbert Deppe Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Ismaninger Str. 22 81675 München Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Marco Kesting Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgische Klinik Universitätsklinikum Erlangen Glückstr. 11 91054 Erlangen Alle Porträts: privat Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 41

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