Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (52) 20,5 mm mit einer initialen Anfangsfeile von ISO 70. Eine Messaufnahme wurde an- gefertigt (Abbildung 18). Schließlich erfolgte eine Einlage mit Kalziumhydroxid. In der zweiten Sitzung wurde nach erneuter aus- giebiger Spülung und mechanischer Präpa- ration mit Handinstrumenten bis ISO 80 und Ultraschall die Arbeitslänge noch ein- mal mittels Papierspitzenmessung verifiziert (Abbildung 19). Anschließend wurden ein apikaler Plug mit Total Fill BC Root Repair Material appliziert (Abbildung 20) und eine Röntgenaufnahme angefertigt (Abbildung 21). Ein Glasfaserstift wurde inseriert und der Zahn mit einem dual-härtendem Kom- posit verschlossen (Abbildung 22). Diskussion In allen beschriebenen Fällen ist davon aus- zugehen, dass keine ausreichende Desinfek- tion und Reinigung des Wurzelkanalsystems im Rahmen der Primärbehandlung erzielt wurde. Darüber hinaus erscheinen die Wur- zelkanalfüllungen radiologisch undicht und nicht randständig, die Aufbereitungsgrößen unterdimensioniert. Die durchgeführten Resektionen erfolgten alle ohne retrograde Präparation und Verschluss. So blieb das Wurzelkanalsystem weitgehend offen für die Zufuhr von Substrat zur Aufrechterhaltung und Entwicklung einer bakteriellen Mikro- flora. Von daher war davon auszugehen, dass dort nach wie vor eine hohe Keim- belastung vorlag, wodurch eine erneute WSR als alternative Behandlungsoption aus- geschlossen werden konnte. Aufgrund der guten knöchernen Verankerung der Zähne und der ausreichenden Restzahnsubstanz kam auch die Extraktion nicht infrage. Wie eingangs beschrieben, kann durch eine sorgfältig durchgeführte Revision vor WSR der Therapieerfolg erhöht werden [Taschieri et al., 2010; Orstavik & Ford, 1998]. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Haupt- ursachen für den Misserfolg der Primär- behandlung in Undichtigkeiten der Wurzel- füllung, in unbehandelten Kanälen und in zu kurzen Wurzelfüllungen liegen [Song et al., 2011]. Diese Ursachen lassen sich durch eine orthograde Revision in aller Regel be- seitigen. Folglich muss die Notwendigkeit der WSR in solchen Fällen generell infrage gestellt werden. Auch die Langzeiterfolgs- quoten der Revision sind denen der Resek- tion überlegen [Torabinejad et al., 2009]. Weiterhin wird die Indikation zur WSR in über 55 Prozent der Fälle falsch gestellt und mehr als 80 Prozent der Zähne, die für eine WSR vorgesehen werden, weisen bereits eine insuffiziente Wurzelfüllung auf [Abramovitz et al., 2002]. Die hohe Anzahl von Fallberichten ortho- grader Revision [Hülsmann et al., 2011] zeigt, dass diese Technik zumindest unter endodontisch tätigen Kollegen regelmäßig Anwendung findet. Zwar liegen nur wenige klinische Studien vor [Mente et al., 2015; Caliskan, 2005], doch scheint die Revision nach WSR in Einzelfällen eine Erfolg verspre- chende, wenig invasive Therapiealternative darzustellen. Um eine prognostische Ein- schätzung der Therapie für den Einzelfall ab- geben zu können, ist es wichtig, die Ursache des Misserfolgs der Primärbehandlung wie auch der WSR zu eruieren. Sind Risse oder Längsfrakturen ursächlich oder ist der Zahn durch die ersten beiden Eingriffe bereits irre- versibel geschädigt, dann ist die logische Konsequenz in diesen Fällen die Extraktion. Die Verwendung von Biokeramik oder MTA spielt eine entscheidende Rolle im Rahmen der orthograden Revision nach WSR. Beide Produkte sind aufgrund ihrer Materialeigen- schaften für dieses Einsatzgebiet hervor- ragend geeignet. Die Handhabung ist zwar schwierig und erfordert ein gewisses Maß an Geschick und Erfahrung, jedoch bieten diese Werkstoffe die höchste Dichtigkeit für den apikalen Verschluss [Coneglian et al., 2007] und durch die leichte Expansion bei der Abbindung zusätzliche Sicherheit [Parirokh & Torabinejad, 2010]. Die hervor- ragenden biokompatiblen [Chen et al., 2016] und antibakteriellen [Parirokh & Torabinejad, 2010] Materialeigenschaften sowie die geringe Zytotoxizität [Ciasca et al., 2012] ermöglichen eine schnellere und bessere Abheilung periapikaler Läsionen. Darüber hinaus ermöglichen sie die Anhef- tung körpereigener Zellen und begünstigen deren Proliferation [Chen et al., 2016]. Die alternative Füllung mit Guttapercha und Sealer kann durch das Fehlen der apikalen Konstriktion und der schweren Kontrollier- barkeit zu Sealerüberpressungen in den Periapex und zu Undichtigkeiten führen. Im Vergleich zur klassischen WSR finden sich in der Literatur Erfolgsquoten von über 90 Prozent für die unter OP-Mikroskop von spezialisierten Zahnärzten durchgeführte WSR mit Verwendung von MTA oder bio- keramischen Materialien als retrogradem Verschluss [Setzer et al., 2010; Kim et al., 2018]. Diese hohen Erfolgsquoten wurden unter anderem dadurch erzielt, dass Zähne die keine suffiziente Wurzelfüllung hatten, aus der Studie ausgeschlossen wurden, was auf die große Bedeutung der Qualität der Primärbehandlung für den Therapieerfolg der WSR hindeutet. Auch wenn im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für die Therapie von Zähnen mit Wurzelfüllungen und apikalen Veränderungen primär chirurgische Maß- nahmen angezeigt sind, ist der Zahnarzt juristisch dazu verpflichtet, den Patienten über die Alternative der orthograden Revi- sion aufzuklären [Tulus & Heckenbücker, 2016]. Die aktuell verfügbare Leitlinie für die WSR aus dem Jahr 2007 ist 2012 abgelaufen und besitzt keine Gültigkeit mehr. Seit Jahren ist eine neue, aktualisierte Leitlinie notwendig, die einerseits moderne Indikationsstellungen, andererseits die Empfehlung zur orthograden Revision und auch den Benefit apikaler Plugs thematisiert. Erfreulicherweise befindet sich die Leitlinie bereits in Überarbeitung. Wir dürfen ihr freudig gespannt entgegensehen. Dr. Benjamin Mahmoodi, M. Sc. Praxis für mikroskopische Endodontie Dr. Anna Lechner & Kollegen Eschollbrücker Str. 26 64295 Darmstadt benjamin.mahmoodi@ web.de Dr. Anna Lechner, M. Sc. Praxis für mikroskopische Endodontie Dr. Anna Lechner & Kollegen Eschollbrücker Str. 26 64295 Darmstadt Alle Porträts: privat 52 Zahnmedizin

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