Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (56) Im Oktober 2018 wurde eine 27-jährige Patientin von ihrem Hauszahnarzt in die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz zur konsiliarischen Mitbeurteilung einer unklaren Raumforderung der rechten Kieferhöhle überwiesen. Grundlage hierfür bildete eine durch den Hauszahnarzt durch- geführte Orthopantomografie (OPG) mit dem radiologischen Korrelat einer kreisrun- den, zystisch konfigurierten Raumforderung (Abbildung 1). Auf Nachfrage berichtete die Patientin von seit Monaten wiederkehrenden Episoden sinusitischer Beschwerden mit dem Gefühl einer Drucksteigerung im Bereich der rechten Nasennebenhöhle beim Vornüberbeugen des Kopfes sowie einer eingeschränkten Nasenatmung rechts. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich sämtliche Zähne im ersten Quadranten vital, was die initiale Verdachtsdiagnose einer radikulären Zyste formal unwahrscheinlich machte. Die Durchführung einer digitalen Volumen- tomografie (DVT) zeigte die dreidimensio- nale Ausdehnung der eiförmigen Raum- forderung mit einem Volumen von 2,34 cm 3 (Abbildung 2). Anfang November erfolgte in Absprache und auf Wunsch der Patientin die operative Befund- entfernung im Sinne einer diagnostischen transoralen Antrozystektomie in Intubations- narkose. Nach paramarginaler Schnittführung und maxillärer Fensterung stellte sich der oben beschriebene Befund in situ als sep- tierte, prall-elastische Raumforderung mit rötlichem Kolorit dar (Abbildung 3a). Nach der vollständigen endoskopisch-gestützten Exstirpation (Abbildung 3b) präsentierte sich das makroskopische Präparat als bräunlich- graue, solide Masse, umgeben von einer für Zysten typischen Bindegewebskapsel (Abbildung 3c), was in Zusammenschau mit der positiven Vitalitätstestung am ehesten die Verdachtsdiagnose einer odontogenen Keratozyste unterstützte. Nach sorgfältiger Spülung der Kieferhöhle wurde der entnom- mene Knochendeckel unter Verwendung von zwei Miniosteosyntheseplatten belastungs- stabil re-inseriert und das Weichgewebe mittels Naht verschlossen (Abbildung 3d). Das Ergebnis der histopathologischen Nach- untersuchung bestätigte den intraoperativen Verdacht einer odontogenen Keratozyste (Abbildung 4). Während der Nachsorge zeigte sich die Wundheilung reizlos und zeitgerecht. Zur Rezidivprophylaxe wurde ein regelmäßiges Nachsorgeintervall von zwölf Monaten festgelegt. Diskussion Obwohl alle odontogenen Zysten eine epi- theliale Auskleidung besitzen, trifft dies nicht grundsätzlich auf alle den Zysten zu- geordneten Raumforderungen zu. So zeigen beispielsweise solitäre und aneurysmatische Knochenzysten keine Epithelauskleidung. Bei Zysten handelt es sich im Allgemeinen um einen von Hart- oder Weichgewebe um- mantelten, zur Umgebung abgeschlossenen, nicht-präformierten Hohlraum [Kramer, 1974]. Der Zysteninhalt ist meist flüssig, semi-flüssig oder gasförmig und besteht im Gegensatz zu Abszessen nicht in der Akku- mulation von Pus. Bei genauer Betrachtung unterscheiden sich die vierte, aktuelle WHO-Klassifikation der Kieferzysten aus dem Jahr 2017 [EI-N et al., Der besondere Fall mit CME Keratozyste im Oberkiefer Daniel G. E. Thiem, Beate K. Straub, Maximilian Krüger, Peer W. Kämmerer Eine Patientin stellt sich mit einer unklaren Raumforderung im Bereich des rechten Sinus maxillaris vor. Der histopathologische Befund bestätigt die Verdachts- diagnose einer regelmäßig auftretenden Zystenform in eher seltener Lokalisation. Kliniker präsentieren Fälle mit hohem diagnostischem Schwierigkeitsgrad. Foto: Thiem 56 Zahnmedizin
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