Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (80) Vor sechs Jahren wurde bei dem damals gesunden und beschwerdefreien zehn- jährigen Patienten im Zuge einer kiefer- orthopädischen Routineuntersuchung mit- tels Orthopantomogramm eine unklare Raumforderung im aufsteigenden Ast des Unterkiefers linksseitig festgestellt. Es folgten dreidimensionale Aufnahmen mittels CT und MRT. Beide zeigten eine Auftreibung des Knochens mit Perforation der äußeren Kortikalis. In Intubationsnarkose wurde von der unklaren Raumforderung eine Probe- biopsie entnommen. Das histopathologische Gutachten beschrieb ein ossifizierendes Fibrom des Kiefers. Das ossifizierende Fibrom zählt zu den gut- artigen odontogenen Tumoren, präsentiert sich als fibro-ossäre Läsion und ist durch ein langsam progredientes Wachstum, das unbehandelt sogar zu Gesichtsdeformitäten führen kann, gekennzeichnet. In 90 Prozent der Fälle entwickelt sich dieser Tumor bei jungen Erwachsenen im Unterkiefer. Diese Tumoren bleiben lange asymptomatisch, müssen jedoch wegen ihres nicht stag- nierenden Wachstums operativ entfernt werden [Knochentumoren, 2011]. Da in der Literatur gelegentliche Spontan- remissionen ossifzierender Fibrome im Jugendalter beschrieben wurden, wurde zu- nächst auf die weitere chirurgische Therapie verzichtet. Vereinbart wurden engmaschige, regelmäßige Verlaufskontrollen. Dabei zeig- ten sich bereits beim klinisch symptomlosen Befund zunehmende knöcherne Regenera- tionszeichen im OPG in der Region des lin- ken aufsteigenden Unterkieferastes. Sechs Jahre vergingen, bis erneut ein kiefer- orthopädischer Kollege im Zuge seiner Pla- nung bei multiplen persistierenden Milch- zähnen auf die radiologisch auffällige Raumforderung im linken Unterkieferast stieß (OPG). Erneut wies der nun 16-Jährige keinerlei Symptome oder Beschwerden auf. Die Computertomografie zeigte im linken Unterkieferwinkel eine im Ausmaß von 4,2 cm x 1,3 cm große, septierte Raumfor- derung mit Destruktion der bukkalen und der lingualen Kortikalis. Intraoral wie extraoral imponierten keinerlei Auffälligkeiten. Asymmetrien waren nicht ersichtlich, die Schleimhaut war intakt, die Okklusion nicht gestört, die Sensibilität des N. alveolaris inferior beidseits seitengleich und nicht beeinträchtigt. Der Patient wurde über das erhöhte Frakturrisiko eingehend aufgeklärt. Bei bekannter histologischer Entität wurde ein einzeitiges operatives Vorgehen mit zeit- gleicher Exkochleation der Raumforderung im linken Kieferwinkel sowie einer Augmen- tation durch ein autologes kortikospongiöses Beckenkammtransplantat festgelegt und komplikationslos durchgeführt. Das histopathologische Bild passte jedoch nach definitiver Aufarbeitung nicht mehr zu dem vordiagnostizierten ossifizierenden Fi- brom, sondern vielmehr zu einem zentralen Riesenzellgranulom. Die vorangegangene Histologie konnte jedoch nicht mehr zum Vergleich herangezogen werden. Aufgrund der Diskrepanz wurden die Proben zum DÖSAK-Referenzregister am Institut für Pathologie des Universitätsspitals Basel geschickt und der Parathormonspiegel des Patienten zum Ausschluss eines braunen Tumors bestimmt. In Basel wurde die Diagnose eines zentralen Riesenzellgranuloms bestätigt. Histologisch zeigte sich die klassische Konstellation einer lobulär gegliederten und teilweise stori- formen Proliferation monomorpher Spindel- MKG-Chirurgie Zentrales Riesenzellgranulom des Unterkiefers Nora Lautner, Frank Hölzle, Dimitar Gruichev, Daniel Baumhoer, Ali Modabber Ein zehnjähriger Junge hat keinerlei Symptome oder Beschwerden, als im Zuge einer kieferorthopädischen Untersuchung eine Raumforderung im Unterkiefer festgestellt wird. Diagnose: ossifizierendes Fibrom. Sechs Jahre später stieß ein Kollege erneut auf die auffällige Raumforderung im linken Unterkieferast. Aber- mals wies der nun 16-Jährige weder Symptome auf, noch hatte er Beschwerden. Foto: Dimitar Gruichev 80 Zahnmedizin
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