Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 109, Nr. 9, 1.5.2019, (88) Meist wird man im Behandlungsalltag nicht nur mit dem Kind als Patienten konfrontiert, sondern mit dem Doppelpack „Kind mit Eltern“. Der erste Kontakt umfasst dann immer ein gemeinsames Auftreten – und wird dadurch möglicherweise erschwert: Während die Eltern lange Erklärungen für das Erscheinen abgeben oder Fragen stellen, macht sich beim Kind Langeweile breit. Vor- teilhaft ist es daher, bereits bei der Termin- vergabe an der Rezeption oder am Telefon diesbezüglich Informationen einzuholen und in der Karteikarte zu notieren. Wurde dies versäumt, kann die Mitarbeiterin beim Ab- holen des Patienten aus dem Wartezimmer noch wichtige Anhaltspunkte in Erfahrung bringen, um sie dann dem Behandler, bevor er das Sprechzimmer betritt, zukommen zu lassen. So weiß ich direkt Bescheid, warum die Eltern mit ihrem Kind meine Praxis auf- suchen – und kann schon zu Beginn meine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das Kind richten. Sitzen wie die Großen – das ist das Motto! Ab dem Kindergartenalter bieten wir unseren kleinen Patienten an, allein im Behandlungs- stuhl Platz zu nehmen. Es gibt spezielle Sitz- erhöhungen, aber erfahrungsgemäß möch- ten viele diese gar nicht in Anspruch nehmen, denn sie fühlen sich „ja schon groß“. Dieser erste wichtige Sprung ins Kinder- gartenalter befähigt die Kinder zu einer nicht zu unterschätzenden Kommunikationsfähig- keit. Fangen Sie ein Gespräch an, indem sie relevante Themen ansprechen: Hat das Kind ein Lieblingskuscheltier mitgebracht? Wie heißt es? Heutzutage muss man meist zuerst fragen „WAS ist es?“, denn der heutigen Plüschwaren-Industrie sind wahrlich keine Grenzen gesetzt! Machen Sie ungezwungen einen versöhnlichen Witz daraus, falls Sie den Teletubby für einen außerirdischen Pinguin gehalten haben. Der kleine Patient wir Ihnen Ihren Fauxpas verzeihen, denn nichts fesselt Kinder mehr, als wenn sie spüren, dass man sich für sie interessiert. Fragen Sie anschließend nach den Zähnen des Kuscheltiers – und leiten die Frage weiter: Fragen Sie das Kind, was mit seinen eigenen Zähnen ist, und ob es Ihnen zeigen kann, wie viele (Milch)Zähne es schon hat und wo es vielleicht weh tut. Meiner Mei- nung nach bewährt es sich, nicht sofort beim Erstkontakt eine Behandlung einzu- planen, aber meine Erfahrung zeigt auch, dass dies dennoch oft möglich ist. Wenn die kleinen Patienten Zutrauen entwickelt haben, dann lässt sich auch beim ersten Termin ein lockerer Milchzahn ziehen. Voraussetzung dafür ist meines Erachtens die Fähigkeit, während der Kommunikation gleichzeitig visuelle Effekte miteinzubeziehen. Durch ein gleichzeitiges „tell and show“ ist die begrenzte Aufmerksamkeitsspanne der Kinder verlängert, und sie sind leichter zur Mitarbeit zu bewegen. Das bedeutet: Wäh- rend ich erzähle, zeige ich mein Werkzeug spielerisch. Mein Betäubungsspray mutiert dabei zum „Deo für das Zahnfleisch“ – gleichzeitig sprühe ich es auf meine Hand oder die Hand des Patienten. Meine kleine Zange ist ein „toller kleiner Greifer“ für den gelockerten Zahn – das Kind darf die Zange anfassen und bewegen. Und für eine Karies- therapie habe ich Schaumodelle, die die Kinder meist tief beeindrucken: tiefzerstörte Milchzähne mit veränderter Morphologie. Ich nenne diese Zähne „Monsterzähne“ und frage die Kinder, ob sie sich vorstellen könnten, so etwas im Mund zu belassen. „Deo für das Zahnfleisch“? Werden Sie kreativ! Das Auge und das Gehör auf Spannendes zu richten, ist immer eine gute Strategie, um die Kooperation des Kindes zu erreichen. Und wenn Ihnen dieser Schritt gelingt, haben Sie auch entspannte Eltern im Hinter- grund. Diese verkneifen sich dann, aus dem Background ein „Es-tut-nicht-weh“ zu rufen. Je mehr Sie mit dem Kind bildhaft kom- munizieren, desto weniger werden sich be- Eine Kinderzahnärztin berichtet „Unterschätzen Sie nicht die Kommunikationsfähigkeit von Kindergartenkindern!“ Eine kindgerechte Kommunikation ist für den Umgang mit den kleinsten Patienten enorm wichtig, weiß Kinderzahnärztin Dr. Ruth Struck aus Bergisch Gladbach. Doch ihrer Meinung nach braucht es noch mehr: Sie müssen mit kreativen Geschichten und Humor deren Begeisterung wecken, dann sind sie voll dabei. Ein Erfahrungsbericht. Alle Fotos: Struck Für Kinder ist das keine Polymerisationslampe, sondern ein „Puppenfön“, zierlich und schlank – besonders gut geeignet für kleine Münder. Wie die kleineren Mundspiegel, Watterollen und Sauger. 88 Praxis

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