Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10
zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1075) NS-Zeit – Vergessen nützt vielen, nur den Opfern nie \ Zum Beitrag „Aufarbeitung der NS-Zeit: ‚Das Thema lässt mich nicht mehr los‘“, zm 7/2019, S. 52–53. „Wer von der Notwendigkeit des Erinnerns redet, sollte immer vom Nutzen des Vergessens ausgehen.“ Auch beim Thema der „NS-Zahnärzteschaft“ trifft dieser Satz des Politologen P. R. den Kern unseres gesellschaftlichen Verhältnisses in den diversen „Aufarbeitungsdebatten“ der Bundesrepublik. Wem nutzt es, wenn „Vergessen“ politisch gewollt ist? Es ist ja nun wirklich kein unbekanntes „Phänomen“, dass gerade die Bundes- republik – und ihre Regierungen – eine ganze Reihe von Gesetzen und Amnestievarianten geschaffen haben, um allein den Nazi- Tätern den Weg in die Straflosigkeit freizuräumen und sie wieder im Staatssystem voll zu integrieren. Hochrangige Beamte im Justizministerium, von denen viele selbst NS-belastet waren, haben dabei vortreffliche Dienste geleistet. Sie taten dann auch alles, um die weitere Verfolgung ihrer „Geistes- Gleichen“ zu verhindern. Man muss ganz klar von einem vorsätzlichen und bewusst-absicht- lichen Handeln der Verantwortlichen auch in der Zahnärzteschaft sprechen. Denn es war ja in keiner Weise nur ein (ach leider) „Ver- sagen“, es war auch keine „Fehlentwicklung“ und es war erst recht kein (aufgezwungener) „Missbrauch“ zu dem sich die Führerschaft, die Verwalter und ihre Anhänger haben hinreißen lassen. Es war der ganz und total überzeugte Nationalsozialismus mit sei- ner Verblendung der „Deutschen Überlegenheit“, der, vom Hass auf politisch Andersdenkende, auf Juden und Kranke, auf das „min- derwertige Leben“ in einer bestens organisierten Berufsgruppen- Führung, die sich als überzeugte und tatenkräftige Aktivisten des Hitler-Regimes hervorheben wollten, geprägt war. Und auch um der eigenen Vorteilssuche willen oder zur Ausschaltung beruflicher Kollegen. Was die ganze Sache so brisant macht, ist eigentlich die unglaub- liche Verquickung von NS-Verbrechern und politischer Staatsmacht bzw. deren Organen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ja, das nannte sich damals schon „Demokratisches“ Deutschland. Und auch heute wird – entgegen der immer wieder hochbeschwo- renen „Vergangenheitsbewältigung“ – alles gegeben, um zu ver- gessen; nur keine konsequente Reaktion, dass Täter für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden. Denn Schweigen ist ja be- kanntlich Gold (oder auch eine gute Pension). Aber warum auch sollten NS-Zahnärzte mehr zur Rechenschaft gezogen werden als die NS-Richter oder die Nachkriegsjustiz, die alle wieder rehabilitiert und in Ämter gekommen sind. Wenn das System so funktioniert kann man jeden, aber auch wirklich jeden „reinwaschen“. Nur die Opfer nicht – die bleiben immer Opfer. Dietrich Rüger, Betzdorf
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