Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1078) Die Bundeszahnärztekammer stellt fest: 1. Die in Fachmedien publizierte Interpre- tation „Parodontitis: Studie stellt Wirksam- keit von PZR infrage“ gibt die Aussagen des Original-Abstracts nicht korrekt wider. 1.1. Denn die im Abstract beschriebene PZR-Definition entspricht nicht dem Um- fang einer PZR, die in deutschen Zahn- arztpraxen angeboten wird. [“Eine routinemäßige Zahnsteinentfernung und Zahnpolitur ist definiert als das Zahnstein- entfernen oder Polieren oder beides der Kronen- und Wurzeloberflächen von Zähnen, um lokale Reizfaktoren (Plaque, Zahnstein, Ablagerungen und Verfärbungen) zu entfernen, die keine paro- dontale Therapie erfordern.“] Eine PZR besteht im Wesentlichen aus den Hauptschritten: Zähneprofessionell reinigen, Polieren und Fluoridieren. Aber auch eine Beratung, Unterweisung, Instruktion und Remotivation des Patienten zur häuslichen Mundhygiene gehören in Deutschland grundsätzlich zu einer PZR. In einem ersten Schritt werden in der Zahnarztpraxis alle klinisch sichtbaren, weichen und harten Zahn- beläge entfernt. Auch schwer zugängliche Stellen zwischen den Zähnen oder klinisch erreichbare Zahnwurzeloberflächen etwas unterhalb des Zahnfleischrandes werden gereinigt. Zum Entfernen von Verfärbungen (Tee, Kaffee, Nikotin) kommen zusätzlich Wasser-Pulvergemische zum Einsatz. Nach der professionellen Reinigung werden die Zähne poliert. Das Polieren glättet die Zahn- oberfläche, wodurch Bakterien weniger gut anhaften. Zum Abschluss werden die Zähne normalerweise mit einem fluoridhaltigen Gel oder Lack touchiert, um den Zahnschmelz zu härten. Bei der begleitenden Schulung zur häuslichen Mundhygiene werden mit dem Patienten Themen wie die Verwendung der richtigen Zahnbürste und der Putztechnik sowie die Verwendung von Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen besprochen. Gerade die Steigerung der Mundgesund- heitskompetenz ist ein wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche zahnmedizinische Prävention und entsprechende Schulungs- programme sind evidenzbasiert. 1.2. Die BZÄK unterstützt deshalb aus- drücklich die Forderung der Cochrane- Autoren in einem nächsten Schritt, Studien zur Wirksamkeit der PZR mit Patienten durchzuführen, die bereits unter Zahn- fleischentzündungen leiden. Die Bewertung der Cochrane-Autoren er- folgte an 1.711 Erwachsenen, die keinerlei Anzeichen einer Zahnfleischentzündung aufwiesen. Diese erhielten eine einfache Zahnreinigung, die nicht dem definierten Umfang einer PZR in Deutschland ent- spricht. Die Auswertung zeigte dement- sprechend nur geringe oder kaum Unter- schiede gegenüber der Kontrollgruppe bezüglich einer Zahnfleischentzündung. Die Forscher selbst empfahlen daher, im nächsten Schritt Studien zur Wirksamkeit von PZR mit Patienten durchzuführen, die unter Zahnfleischentzündungen leiden. 2. Wissenschaftliche Studien belegen die positiven Mundgesundheitseffekte sowie die Wirkung auf die Allgemeingesundheit der PZR. Nach Daten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie nahm gut jeder fünfte jüngere Erwachsene (21,8 Prozent) in Deutschland eine Professionelle Zahn- reinigung (PZR) innerhalb der vergan- genen fünf Jahre regelmäßig in Anspruch (Erhebungszeitraum 2014). Dabei ist das persönliche Vorsorgeverhalten statistisch signifikant gekoppelt mit der eigenen Wirksamkeitserwartung dieser Maßnahmen [vgl.: IDZ, Hrsg.: Fünfte Deutsche Mund- gesundheitsstudie (DMS V), Institut der Deutschen Zahnärzte, Deutscher Zahnärzte- Verlag, Köln, 2016]. Gerade bei der regelmäßigen Inanspruch- nahme der PZR als präventive Maßnahme zeigen sich bei den zentralen zahnmedi- zinischen Gesundheitskennzahlen über- zeugende Ergebnisse: Erwachsene, die regelmäßig innerhalb der vergangenen fünf Jahre eine PZR erhalten haben, weisen eine niedrigere Karieserfahrung von 10,7 Zähnen auf; in der Gruppe ohne regel- mäßige PZR betrug die Karieserfahrung 11,4 Zähne. Auch bei Parodontalerkran- kungen stellen sich diese Unterschiede dar: Der Anteil der Zahnflächen mit erhöhten parodontalen Sondierungstiefen ≥ 4 mm betrug bei regelmäßiger PZR 9,3 Prozent und 14,0 Prozent, wenn diese aus- blieb. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Zahnfleischbluten (BOP 20,2 Prozent bei regelmäßiger PZR vs. BOP 29,3 Prozent ohne regelmäßige PZR). Weitere Studien, die die Wirksamkeit der PZR belegen, sind die von Axelsson und Lindhe [beispielhaft: Axelsson P., Lindhe J.: Effect of controlled oral Hygiene proce- dures on caries and periodontal disease in adults. Results after 6 years. J Clinical Periodontol 1981, 8: 239–248]. Axelsson arbeitete anfänglich mit Kontrollgruppen, löste diese dann aber auf, als sich nach einigen Jahren die Überlegenheit des Pro- phylaxekonzepts zeigte. Axelssons weg- weisende Studien, die bereits vor 40 Jahren die Grundlage für eine erfolgreiche präven- tive Intervention im fachwissenschaftlichen Raum für die PZR gelegt haben, erfüllen allerdings nicht die höchste Stufe der evi- denzbasierten Medizin, die heute die aus- schließliche – und damit diskussionswürdige – methodische Grundlage darstellen, um die Nutzenbewertung von medizinischen Interventionen zu bestimmen. Aus Sicht der BZÄK ist in der Zahnmedizin die PZR ein zentraler – und erwiesenermaßen wirksamer – Prophylaxebaustein. Als Maß- nahme zum Biofilmmanagement trägt sie zur Vermeidung und Therapie weitver- breiteter Krankheiten der Mundhöhle bei. Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Arbeiten immer häufiger, dass orale Er- krankungen nicht nur lokal in der Mund- höhle wirken, sondern teils erheblichen Einfluss auf schwere Allgemeinerkrankun- gen haben [vgl.: Deschner, J., Haak, T., Jepsen, S., Kocher, T., Mehnert, H., Meyle, J., Schumm-Draeger, P.-M., Tschöpe, D.: Diabetes mellitus und Parodontitis. Der Internist 2011, S. 466–477]. Dr. Sebastian Ziller, 24.4.2019 Leiter der Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung der Bundeszahnärztekammer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern e.V. (BZÄK) Chausseestr. 13, 10115 Berlin Kurzbewertung der Bundeszahnärztekammer C OCHRANE -R EVIEW 16 Politik

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