Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1081) Wer die zahnärztliche Fortbildungsliteratur überblickt und regelmäßig zahnärztliche Kon- gresse besucht, wird nicht umhinkommen festzustellen, dass dort zu einem beträcht- lichen Teil der sogenannte Premium-Bereich („hochwertige“ Versorgung) thematisiert und vermittelt wird. Es geht um faszinierende Hightech-Verfahren, immer ausgefeiltere CAD/CAM-Technologien, umfangreiche Im- plantat-Insertionen, die minutiöse Umset- zung von „Super-Ästhetik“, Laser-gestützte Interventionen – die Reihe der aufwendigen und damit auch teuren Interventionen ist lang. Die mit dem Hightech-Image apostro- phierten Behandlungen adressieren in erster Linie die Erwartungen und Wünsche eines bestimmten Segments der Bevölkerung. Es gibt aber bekanntlich nicht nur finanzkräftige „Premium-Patienten“. Zuweilen sieht man für einen Teil der übrigen Patienten die Ver- sorgung mit Billigprodukten/-dienstleistun- gen im Sinne einer „Low-Cost-Strategie“ vor. Eine solche nur an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Patienten orientierte Schwarz-Weiß-Betrachtung kann jedoch nicht die tatsächlichen Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung mit ihren vielfältigen Abstufungen und erst recht nicht die Anfor- derungen an eine patientenindividuell best- mögliche Versorgung abbilden. Das Problem betrifft dabei nicht nur das Gesundheitswesen, sondern den gesamten Bereich der Wirtschaft. Das „Beste“ ist kein wie auch immer qualitativ beschreibbarer Fixpunkt, sondern definiert sich immer nur unter Einschluss der Voraussetzungen und Erwartungen des Nutzers. An dieser Logik entlang entwickelte sich der Begriff der so- genannten frugalen Innovationen. Frugalis (lat.) bedeutet einfach, sparsam, nutzbar; frugi (lat.) bedeutet tauglich. Der aus der Betriebswirtschaftslehre stammende Begriff wird wie folgt definiert: „Frugale Innovatio- nen können als neue Produkte und Dienst- leistungen verstanden werden, die den Ein- satz von materiellen und finanziellen Res- sourcen im kompletten Produktlebenszyklus von der Entwicklung und Produktion bis hin zur Nutzung und Entsorgung zu minimieren suchen und die Besitz- beziehungsweise Nutzungskosten bei gleichzeitiger Gewähr- leistung akzeptabler Sicherheits- und Quali- tätsstandards beim Verwender substanziell reduzieren“ [Herstatt und Tiwari, 2014]. Obwohl es sich hier nicht um wirklich neue Strategien handelt, sondern eher um einen neuen Begriff für eine alte Fragestellung, könnte er die Diskussion – auch für die Lowtech-Dentistry Bewährte und neue Interventionen in der Zahnmedizin Hans Jörg Staehle Eine gute zahnmedizinische Versorgung bedarf nicht automatisch und ausschließ- lich neuerer Hightech-Verfahren. Auch mit Mitteln der „Lowtech-Dentistry“ kann viel erreicht werden. In diesem Zusammenhang werden Chancen und Limitationen bewährter und neuer frugaler Interventionen erörtert. Alle Fotos: Staehle 19

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