Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1084) e f geht (zum Beispiel Amalgamrestaurationen, Monitoring bei Einzelzahnlücken), wird im Folgenden der Begriff „Frugale Interventio- nen“ bevorzugt. Die Charakteristika frugaler Interventionen lassen sich zusammenfassend wie folgt beschreiben: \ schonend (ressourcenschonend, orale Strukturen schonend, hinreichend stabil) \ bezahlbar (nicht „billig“, aber auch nicht stark kostentreibend, „sozial verträglich“) \ gut genug (adäquat, erfüllt die Erwar- tungen, gute Nutzen-Risiko-Relation, ohne Schnickschnack) Es gibt seit jeher eine Fülle von Beispielen für die Zahnmedizin, die alle Fachdisziplinen betreffen. Einige wenige aus den Bereichen der restaurativen Versorgung, des Lücken- managements und der Mundhygiene sollen hier aufgeführt werden. Zu Beginn werden den Kategorien „Low Cost“, „Frugal“ und „Premium“ jeweils mögliche Behandlungs- optionen zugeordnet. Restaurative Versorgung \ Low Cost: zum Beispiel bestimmte Zement- restaurationen mit begrenzter Haltbarkeit \ Frugal: zum Beispiel anspruchsvoll verar- beitetes direktes Komposit in diversen Aus- dehnungsgraden (einschließlich direkter Teil- und Vollüberkronungen, Verschalungen, Verbreiterungen/Anhängern, Reparatur- Restauration in R1- oder R2-Technik) \ Premium: zum Beispiel „höchstwertige“ indirekt hergestellte Keramikwerkstücke (eventuell mit besonderen Zusatzeffekten wie beispielsweise eingefärbten Fissuren bei Kauflächenrestaurationen mit fraglichem Nutzen?) In der restaurativen Zahnheilkunde haben in den vergangenen Jahren insbesondere direkt eingebrachte, adhäsiv verankerte Komposit- restaurationen das Behandlungsspektrum vergrößert. Der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand zu dieser Thematik wurde in einem Sonderband der Fachzeitschrift Ope- rative Dentistry 2016 detailliert aufgezeigt. Einige neue Indikationsbereiche wurden auch in der Poliklinik für Zahnerhaltungs- kunde am Universitätsklinikum Heidelberg beschrieben und erprobt [Frese et al., 2013 und 2014; Staehle, 1999, 2003, 2009, 2012, 2014; Staehle et al., 2014, 2015a und b, 2016a und b, 2017; Wolff et al., 2010 und 2012]. Es soll nicht verschwiegen wer- den, dass diese Weiterentwicklungen auch mit etlichen Rückschlägen und Misserfolgen verbunden waren und die im Folgenden beschriebenen Beispiele zum Teil noch auf unsicherem Fundament stehen. In den Abbildungen 1 bis 3 werden Optionen für frugale Interventionen auf restaurativem Sektor aufgeführt. Es handelt sich um direkte Vollüberkronungen im Frontzahnbereich (hier: hergestellt in R1-Technik / einphasig) (Abbildung 1), direkte Teilüberkronungen im Seitenzahnbereich (hier: hergestellt in R1-Technik / einphasig) (Abbildung 2), Reparatur-Restaurationen im Seitenzahn- bereich (hier: hergestellt in R2-Technik / zwei- phasig) (Abbildung 3). Technische Einzel- heiten zur Vorgehensweise und den Ergeb- nissen sind an anderer Stelle beschrieben (Literatur siehe oben). Am Beispiel von Abbildung 1 (stark zerstörte Zahnkrone eines Schneidezahns) kann das Prinzip der frugalen Intervention erläutert werden: Früher wurde für die hier beschriebene Ausgangssituation folgendes Procedere ge- wählt: \ Wurzelkanalbehandlung des vitalen Zahns als Voraussetzung für eine Stift- versorgung \ Einsetzen eines Wurzelkanalstifts \ Einsetzen einer indirekt gefertigten Stift- krone Durch die Erfolge der Adhäsiv- und Kom- posittechnik kann heute folgendermaßen vorgegangen werden: \ Verzicht auf Wurzelkanalbehandlung / Erhaltung der Vitalität des Zahns \ Verzicht auf Wurzelkanalstift \ direkte minimalinvasive Kompositkrone (Verzicht auf indirekte Vorgehensweise) Die potenziellen medizinischen und ökono- mischen Vorteile dieser frugalen Intervention sind vielfältig: \ Schonend: Die oralen Strukturen werden geschont und die Versorgung ist hinreichend stabil. Durch den Verzicht auf Wurzelkanal- stifte wird das Wurzelfrakturrisiko reduziert. Zudem können Material-, Geräte- und Personalressourcen aus Praxis und Technik- Abbildung 2: Direkte Teilüberkronung im Seitenzahnbereich (R1-Technik) a) stark zerstörter, jedoch vitaler Prämolar (Zahn 45) einer 50-jährigen Patientin ohne Zeichen einer irreversiblen Pulpitis, b) Röntgen-Zahnfilm (hier noch mit Resten eines später ausgefallenen Provisoriums), c) Zustand nach Präparation, d) bis f) direkter restaurativer Kompositaufbau unter Einsatz einer Partialmatrize, eines Separationsrings und eines Approximalkontakformers, g) di- rekte Komposit-Teilkrone nach Ausarbeitung und Politur, h) klinische Kontrolle nach einem Jahr (reizlose Verhältnisse), i) keine pathologischen Veränderungen bei röntgenografischer Kontrolle nach einem Jahr j) nach wie vor reizlose Verhältnisse bei Kontrolle nach acht Jahren (die Patien- tin ist inzwischen 58 Jahre alt) a b c d g h i j 22 Zahnmedizin

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