Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1086) labor, die beim klassischen Vorgehen an- fielen, reduziert werden. \ Bezahlbar: Hier ist anzumerken, dass die Kosten unter anderem von der zahnärztlichen Expertise abhängig sind: Zahnärzte, die mit direkten Restaurationen große Erfahrung haben, können zügiger und mit besserem Erfolg arbeiten als Kollegen mit geringerer Erfahrung auf diesem Gebiet; die Behandlung ist gleichwohl anspruchsvoll und deshalb nicht „billig“. Eine direkte Vorgehensweise kann, muss aber nicht automatisch zeit- und kostensparender sein als eine Versorgung mit indirekt hergestellten Werkstücken. \ Gut genug: Ästhetische Feinheiten lassen sich bei direkten Restaurationen nicht immer in gleicher Perfektion einarbeiten wie bei in- direkt gefertigten Kronen, auch die Stabilität des Hochglanzes lässt bei einigen Komposit- präparaten noch zu wünschen übrig. Ande- rerseits erlauben die direkten Verfahren in- zwischen mitunter sehr flexible Vorgehens- weisen, die sich auch mit Farb- und Form- korrekturen von Zähnen kombinieren lassen. Die Erwartungen eines großen Teils der Pa- tienten werden hinreichend erfüllt und die Nutzen-Risiko-Relationen wie auch die Auf- wand-Kosten-Relationen erscheinen – wenn auch nicht durchgängig – so doch zumindest in vielen Fällen günstig. Für die in Abbildung 2 dargestellte Situation eines tief zerstörten Prämolaren gelten ähn- liche Charakteristika. Es gibt in der restaura- tiven Zahnheilkunde viele Neuerungen, die das Behandlungsspektrum vergrößert haben. Dazu zählen unter anderem: \ ein- oder zweiphasiges Vorgehen je nach Defektausdehnungen (R1- und R2-Technik), \ von Präparationsgrenzen unabhängige Verschalungstechniken, die auch bei nicht- kariesbedingten Zahnhartsubstanzschäden (wie etwa Hypomineralisationen) zum Ein- satz kommen können, \ schadensgerechte Reparaturtechniken (Abbildung 3), \ neuartige Insertionstechniken, die unter anderem die Anpassung neuer Restaura- tionen an vorhandene prothetische Versor- gungen (Reziproktechnik) erlauben. Lückenmanagement \ Low Cost: zum Beispiel herausnehmbare Klammerprothese \ Frugal: zum Beispiel Lückenschluss durch direkte Zahnverbreiterung oder -anhänger; regelmäßiges Monitoring mit Belassen einer Lücke (falls keine ästhetischen oder funktionellen Argumente dagegen sprechen) \ Premium: zum Beispiel Implantat oder in- direkt hergestellte Brücke, zuweilen mit der Gefahr einer Überbehandlung und/oder un- erwünschten Folgeerkrankungen In der Zahnmedizin ist ein Dogma weit ver- breitet: „Jede Lücke muss rasch geschlossen werden.“ Tatsächlich gibt es jedoch viele Situationen, in denen es ohne relevante funktionelle und ästhetische Einbußen ver- tretbar erscheint, eine Lücke zu belassen und regelmäßig zu beobachten (Monitoring). Derzeit erfolgt die Entscheidung „Lücke belassen versus Lücke schließen“ oftmals subjektiv. Sie ist zuweilen weniger von den Patientenvariablen abhängig als von den Schwerpunkten der betreuenden Zahnärzte (Abbildung 4) [Listl et al., 2016]. Ein fachlich fundiertes Vorgehen, das eine Entscheidung unter einer Nutzen-Risiko-Abwägung trifft und ein Monitoring in die Überlegungen einbezieht, kann ebenfalls in die Kategorie der frugalen Interventionen eingeordnet werden. Gleiches gilt für ein Vorgehen im Sinne des Prinzips der verkürzten Zahnreihe, das inzwischen wissenschaftlich gut evaluiert ist [Walter, 2016] und zu dessen Realisierung auch konservierende Maßnahmen beitragen können (Abbildung 5). Falls ein Lückenschluss nach Gegenüberstel- lung der Vor- und Nachteile als angemessen Abbildung 3: Direkte Reparatur im Seitenzahnbereich (R2-Technik) a) klinisch kaum sichtbare Wurzelkaries bei einem 71-jährigen Patienten: Der mit einem Gussmetall-Inlay versorgte vitale Zahn 16 zeigt keine Zeichen von irreversibler Pulpitis. b) Das Ausmaß der Karies wird im Röntgenbild sichtbar. c) Zustand nach Kariesentfernung und Fadenapplikation bei extrem tiefer gingivaler Stufe, die selbst von nach gingival weit ausgedehnter Matrize nicht erfasst werden kann d) direkter basaler Aufbau in freier Modellation (Phase 1) unter relativer Trockenlegung; Überschüsse werden mit Diamantfinierer und sichelförmigem Skalpell entfernt e) Phase 2: Deckfüllung unter Einsatz eines Approximalkontaktformers bei absoluter Trocken- legung f) fertige R2-Restauration und Auswahl einer geeigneten Interdentalraumbürste g) Röntgenkontrolle, h) schematische Darstellung der R2-Restauration I = in erster Phase hergestellter gingivaler basaler Teil, II = in zweiter Phase hergestellter koronaler Deckteil, i) und j) Kontrolle nach fünf Jahren (Patient ist jetzt 76 Jahre alt): unauffällige Verhältnisse (Details zur Vorgehens- weise siehe [Staehle et al., 2014]) a b e f d g h i j c 24 Zahnmedizin

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