Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 109, Nr. 10, 16.5.2019, (1111) Der Arbeitskreis verfolgt die Ziele: \ das Thema „Ethik in der Zahnmedizin“ in Wissenschaft, Forschung und Lehre zu etablieren, \ das ethische Problembewusstsein der Zahnärzteschaft zu schärfen und \ die theoretischen und anwendungs- bezogenen Kenntnisse zur Bewältigung und Lösung von ethischen Konflikt- und Dilemmasituationen zu vermitteln. www.ak-ethik.de Arbeitskreis Ethik Das vorliegende Fallsetting beschreibt ein Szenario, das viele Kolleginnen und Kollegen in ähnlicher Form vielleicht schon einmal er- lebt haben, insbesondere dann, wenn sie bereits in den ausgehenden 1980er und 1990er Jahren praktiziert haben. In dieser Zeit fanden derartige Diskussionen auf breiter Basis in Zusammenhang mit der damals neuen Gefahr einer HIV-Infektion statt. Infi- zierte Patienten oder AIDS-Kranke wurden meist am Ende des Behandlungstages ein- bestellt, die Vorsorgemaßnahmen gegen mögliche Ansteckungen des Praxispersonals (auch dem damaligen Forschungs- und Kenntnisstand geschuldet) teilweise fast schon hysterisch überhöht. Ja, oftmals wur- den die Patienten gar von Zahnarztpraxen abgewiesen, was teils dazu führte, dass infi- zierte Patienten aus der begründeten Angst vor Stigmatisierung ihre Infektion ver- schwiegen. Hierauf, wie auch aufgrund der Tatsache, dass Patienten vielfach keine Kenntnis ihrer eigenen ansteckenden Er- krankungen haben, gründet heute der all- gemeine Konsens, „dass alle Patienten so behandelt werden müssen als ob sie infekti- ös wären“ [https://www.bzaek.de/berufs ausuebung/hygiene/hivaids.html ]. Welche Aspekte im geschilderten Fall be- rücksichtigt werden müssen, soll anhand der Prinzipienethik von Beauchamp und Childress erörtert werden: Das Nichtschadensgebot , das sich aus- schließlich auf den Patienten bezieht, be- dingt auf jeden Fall die Behandlung des Asylbewerbers, um ihn zum einen von seinen Schmerzen zu befreien, aber auch um wei- teren gesundheitlichen Schaden von ihm fernzuhalten, der sich bereits durch die Schwellung abzuzeichnen scheint. Eine Nichtbehandlung könnte nicht nur im Hin- blick auf seine Zahngesundheit Probleme aufwerfen, sondern auch beim tatsächlichen Vorliegen einer systemischen oder einer In- fektionskrankheit (was aber zunächst unge- klärt bleiben muss) durch die zusätzliche Be- lastung des Immunsystems für den Patienten von Nachteil sein. Eine umgehende Schmerzbehandlung und die etwaige Einleitung weiterer (Behand- lungs-)Schritte entsprechen aber nicht nur dem Nichtschadensgebot, sondern auch dem Wohltunsgebot , da der Patient da- durch keine weiteren unnötigen Schmerzen erleiden muss. Wichtig ist in diesem Zusam- menhang auch die Frage des Umgangs mit dem (aufgrund seiner Situation als Asylbe- werber, der offenkundig die Sprache nicht beherrscht) vulnerablen Patienten. Es muss darauf geachtet werden, dass ihm von dem durch die Gesamtsituation verunsicherten Praxisteam nicht das Gefühl gegeben wird, unwillkommen zu sein oder sprichwörtlich „als Aussätziger“ behandelt zu werden. Dies würde neben der sprachlichen Distanz noch weitere Barrieren aufbauen und ihn als Pa- tienten unangemessen zurücksetzen. Die Patientenautonomie erscheint in diesem Fall in einem besonderen Licht, da der Pa- tient kaum in der Lage ist, seine Beschwer- den und seine Anamnese, aber auch seine Wünsche und Ängste zu artikulieren oder anderweitig zu vermitteln. Dr. H. und ihr Team versuchen, auf andere Weise an für sie und die Behandlung (und damit letztlich den Patienten) relevante Informationen zu kommen und konsultieren die zuständige Krankenkasse und einen vorbehandelnden Kommentar von Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth „Jeder Patient könnte auch ohne eigenes Wissen infektiös sein!“ Grün, agil und hungrig. Proc odile. © 02/2019· 419529V0

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