Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 109, Nr. 11, 1.6.2019, (1198) TI – Zwang überzeugt grundsätzlich nicht! ! Zum Beitrag „Telematikinfrastruktur: Wer jetzt nicht bestellt ...“, zm 6/2019, S. 24–28. Hätte nie gedacht, dass ein altes standespolitisches „Schlachten- ross“ wie ich sich noch mal der- art berufspolitisch echauffieren und engagieren muss: Sicher- lich macht es keinen Sinn, sich den unbestreitbaren Vorteilen der allgemeinen Digitalisierung zu verweigern. Solange aber durch Maßnahmen wie die Tele- matik-Infrastruktur kein erkenn- barer Mehrwert für Praxen und Patienten erkennbar ist, solange durch ein derartiges Technik- Monster die Vereinfachung von Bürokratielasten und Ablaufpro- zessen nicht gewährleistet wird, kann in der Kollegenschaft keine breite Zustimmung erwartet werden. Diese Erkenntnis gibt es wohl auch in der KZBV-Spitze. Solange der Online-Abgleich der Versicherungsstammdaten das einzig wesentliche Element dieser TI-Orgie ist, muss logisch geschlossen werden, dass wir als Freiberufler den Krankenkassen die Datentür zu unseren Praxen zwangsweise eröffnen sollen. Eine Vielzahl von Zahnärzten dürfte sich nur deshalb zur TI-Anbindung durchgerungen haben, weil Sanktionen finan- zieller Art angedroht worden sind und demnächst offenbar auch von den KZVen durchge- setzt werden. Zwang statt Über- zeugung! Aber ein Prozent vom Kassenhonorar – muss mich das jucken? Wenn auch IT-Experten ganz offen von Sicherheitslücken bei der TI-Anbindung sprechen, wenn es offenbar zu erheblichen Sicherheitsproblemen bei der TI- Installation kommen kann, dann muss jeder verantwortungsbe- wusste Zahnarzt erkennen, dass die Datenschutzprobleme offen- sichtlich nicht vollständig gelöst sind. Ich habe aber gegenüber meinen Patienten die absolute Verantwortung über die Sicher- heit ihrer medizinischen Daten. Die nimmt mir auch meine KZV nicht ab. Das juckt mich eben mehr als Interessen der kranken Kassen. Welche Relevanz haben Erklärungen meiner Patienten, die mir als Vertragszahnarzt ausdrücklich untersagen, ihre Daten ins Netz zu stellen – un- abhängig von Zusicherungen gleich welcher Art bezüglich Ver- schlüsselungen und angeblicher Datensicherheit? In der Ärzteschaft geht man mit dieser Problematik anscheinend sensibler um. Nicht nur erheb- liche Teile der Ärzteschaft ver- weigern die TI-Anbindung, auch die „Freie Ärzteschaft“ verlangt aus genau diesen Gründen ein Moratorium. Desgleichen kürz- lich die „Interessengemeinschaft Medizin e. V.“, und auch die KV Nordrhein äußert sich kritisch. Vergleichbare Forderungen der zahnärztlichen Standesvertre- tungen? Offenbar Fehlanzeige. Allein die „Freie Zahnärzte- schaft“ in Bayern lehnt die TI- Anbindung ab und fährt eine Kampagne gegen die Anbindung der Praxen an das Gesundheits- netz. Vielmehr werden in den Gremien der Zahnärzte jetzt Meldungen laut, dass zusätzlich zu der angedrohten Honorar- kürzung auch weitere Sanktionen denkbar sind, so die Verletzung „vertragszahnärztlicher Pflich- ten“, für die neben Disziplinar- maßnahmen auch Bußgelder bis zu 50.000 Euro im Raum stünden. Ob dies als Information oder als Drohung zu verstehen ist, muss vorerst wohl offen bleiben. Die KZV Schleswig-Holstein führt dazu auf Anfrage aus, es sei denkbar, dass „aus rein tech- nischen Gründen mittelfristig eine Verarbeitung elektronischer Gesundheitskarten in den Ver- tragszahnarztpraxen ohne An- bindung an die Telematik-Infra- struktur komplett nicht mehr möglich sein wird“. Also künftig keine Annahme mehr von Ab- rechnungsdaten? Dem steht aber augenscheinlich § 291 SGB V entgegen. Darin heißt es: „Diese Dienste müssen auch ohne Netzanbindung an die Praxisver- waltungssysteme der Leistungs- erbringer online genutzt werden können.“ Dass unsere Standesvertretungen als Körperschaften öffentlichen Rechts gesetzliche Regelungen nolens volens umsetzen müssen, ist unstrittig. Wenn diese Orga- nisationen sich allerdings außer Stande sehen, die Risiken und Gefahren der TI offensiv anzu- prangern, wird mir Angst und Bange. Wenn sich die gewählten Kollegen in den Voll- und Haupt- versammlungen nicht einmal in der Lage sehen, klare und deut- liche Beschlüsse oder Resolutio- nen zu dem ganzen TI-Unsinn zu fassen, macht mich das fassungs- los. Dann hat Spahn eines erreicht: Die Umsetzungs-Maschinerie läuft bei den Zahnärzten wie geölt. Dann hat die Politik Ziele erreicht, die seit mindestens 25 Jahren er- kennbar sind: Die schleichende Verstaatlichung des Gesund- heitswesens ohne erkennbare Gegenwehr der verfassten Heil- berufe-Organisationen. Ich bin nach wie vor nicht bereit, mich als Schlachtross zur Daten- Schlachtbank führen zu lassen – Sanktionen hin oder her. Das alte in zahlreichen Kämpfen erprobte „Schlachtenross“ hat drei Möglichkeiten: Erstens, wütend und heftig mit den Hufen aufzustampfen. Zweitens, in die richtige Richtung auszu- keilen. Drittens, das Gelände fluchtartig zu verlassen. Erstens: Bin ich gerade dabei. Zweitens: Dafür wird man mich hassen. Drittens: Darauf wird man hoffen. Dr. K. Ulrich Rubehn, Elmshorn 8 Leserforum

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