Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 109, Nr. 11, 1.6.2019, (1272) „Ärzte Codex: Medizin vor Ökonomie“ Ein Zeichen gegen die zunehmende Ökonomisierung Investoren erobern den Dentalmarkt und die Bürokratisierung in den Praxen steigt unaufhaltsam: Auf dem gemeinsamem Frühjahrsfest von Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) warnten die Gastgeber erneut vor einer fortschreitenden Vergewerblichung der Zahnmedizin. Die deutsche Fachgesellschaft der Internisten hat ebenfalls reagiert – mit einem selbst verfassten Kodex „Medizin vor Ökonomie“. Foto: stock.adobe.com Das Gesundheitswesen in Deutschland zählt zu den besten der Welt. Warum? „Weil es auf dem nahezu uneingeschränkten Vertrauen der Menschen basiert, dass Zahnärzte und Ärzte sie nach bestem Wissen und Gewissen, nach dem Stand medizinischer Erkenntnisse, weisungsunabhängig und frei von wirt- schaftlichen Interessen Dritter behandeln“, so Dr. Wolfang Eßer, Vorsitzender des Vor- stands der Kassenzahnärztlichen Bundes- vereinigung (KZBV). „Doch“, warnte Eßer seine Gäste auf dem diesjährigen Frühjahrs- fest, „geht dieses Vertrauen verloren, wird ein Grundpfeiler gesellschaftlicher Daseins- vorsorge unwiederbringlich zerstört.“ Vordringliche Aufgabe der KZBV sei dement- sprechend „die Niederlassung junger Zahn- ärzte in freiberuflicher Selbstständigkeit zu fördern“. Die Sicherstellung der flächen- deckenden und wohnortnahen Versorgung sei durch in- und ausländische Fremdinves- toren, die massiv in den deutschen Dental- markt investieren, trotz dem nun in Kraft ge- tretenen Terminservice- und Versorgungs- gesetz, weiterhin gefährdet. „Wir beobachten sehr genau, wie sich die MVZ-Regelung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes in der Praxis auf die Investitionsbestrebungen von Private-Equity-Fonds auswirken wird“, kündigte Eßer an. Sollte es nicht gelingen, die „Marktbeherrschungspläne der Investo- ren“ dauerhaft einzudämmen, stehe viel auf Spiel – „die Sicherstellung der Versorgung sowie auch die freiberufliche zahnärztliche Berufsausübung“. Ein weiteres Beispiel für die fortschreitende Vergewerblichung: Ein Zahnarzt muss sich in seiner Praxis pro Jahr rund 100 Tage ausschließlich mit Dokumentations- und Informationspflichten beschäftigen – „Zeit, die in die Patientenversorgung wesentlich sinnvoller investiert wäre“, so der Vize- präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dietmar Oesterreich. Das Versprechen der Ärzte Dass Zahnärzte und Ärzte die fortschreitende Vergewerblichung der Medizin beklagen, ist nicht neu. Bereits 2017 hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) mit ihrem selbst verfassten Kodex „Medizin vor Ökonomie“ (siehe Kasten) ein deutliches Zeichen gegen die zunehmende Ökonomi- sierung des Gesundheitswesens gesetzt. „Er ist ein pragmatischer Ansatz zur Unterstüt- zung aller Ärztinnen und Ärzte, die sich ver- pflichten, ihr ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten – mit abso- lutem Vorrang gegenüber ökonomischen Überlegungen“, zitierte das Deutsche Ärzte- blatt die wesentliche Initiatorin des Kodex, Prof. Petra-Maria Schumm-Draeger, bei dessen Vorstellung im September 2017 in Berlin. Der Kodex soll laut DGIMMedizinern dabei helfen, die Auswirkungen von Ökono- misierung in ihrem persönlichen Arbeits- gebiet „kritisch zu reflektieren“. Gleichzeitig sollen sich Ärzte im beruflichen Alltag und insbesondere bei Konflikten durch primär ökonomisch ausgerichtete Handlungs- vorgaben auf das Konsenspapier berufen können. Ziel ist zudem, mit dem Kodex das Vertrauen von Patienten und Bevölkerung in eine wertorientierte Medizin und Ärzte- schaft zu stärken. Nicht nur Klinikärzte geraten unter Druck Schon lange sind es nicht mehr nur die Klinikärzte, die von Kostendruck und Ziel- vorgaben massiv in ihrer Handlungsfreiheit als Mediziner eingeschränkt werden – auch die niedergelassenen Ärzte geraten zuneh- mend unter Druck: So führten die wirt- schaftlichen Fehlanreize vor allem zu einer Überversorgung in gut bezahlten Domänen wie der Gerätemedizin mit MRT, CT oder Röntgen – bei gleichzeitiger Unterversor- gung in der nicht ausreichend vergüteten sprechenden Medizin. Stark betroffen hiervon ist beispielsweise die Behandlung betreuungsintensiver Volkskrankheiten wie Diabetes oder Rheuma. Vertrauensverlust im Arzt-Patienten-Verhältnis und Personal- mangel im Gesundheitswesen sind dann laut DGIM weitere Folgen. Wegen des zunehmenden ökonomischen Drucks im

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