Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 109, Nr. 12, 16.6.2019, (1369) durch Ausprobieren kann es das erlernen. Gerade Kinder haben ein sehr feines Gespür für ihr Gegenüber – es bedarf einer ange- messenen Reaktion: Die Bindungsforscher sprechen von der ‚Feinfühligkeit‘ im Um- gang mit den kleinen Wesen. Wollen wir auf sie zugehen und ein Wohlgefühl provo- zieren, dann sollten wir nicht unterschätzen, welche Auswirkungen Farben, Geräusche und Gerüche diesbezüglich haben. Während der Untersuchung kann man die Kooperation der Kleinen zum Beispiel mit einem bunten Deckenbild erhöhen: Wäh- rend sie auf dem Schoß der Eltern liegen, kann der Blick auf ein Wimmelbild fixiert werden. Dadurch kann der Behandler in den Mund schauen und gleichzeitig Fragen zum Deckenbild stellen („Siehst Du die Fische und den Krebs?“). Bei uns hat sich während der Untersuchungssitzung der Überraschungs- beutel bewährt: Ein bunter Stoffsack mit enger Öffnung und angenehm weichem Innenfutter liegt auf dem Schoß des Kindes. Drinnen befinden sich ein paar unterschied- liche Gegenstände, die das Kind ertasten kann, ohne hineingucken zu können – nur die kleinen Händchen stecken im Beutel, verhindert werden so eventuelle Abwehr- bewegungen. Wird das Untersuchungslicht als sehr grell empfunden, haben wir bunte Sonnenbrillen in verschiedenen Ausführun- gen und Größen parat, die freudig ange- nommen werden – gerade Kinder in diesem Alter „verkleiden“ sich ja gerne, und dazu gehört auch das Aufsetzen von Brillen. Ist ein kleiner Patient sehr verängstigt und lässt sich anfangs nicht in den Mund gucken, dann kommt unsere lustige Handpuppe zum Einsatz. Spielerisch wird mit Fragen und einem humorvollen Dialog eine Ver- trauensbasis geschaffen. Deckenbild, Handpuppe, Überraschungsbeutel Nach der Untersuchung erfolgt die Diagnos- tik, also das Gespräch mit den Eltern. Und die haben oft sehr viele Fragen, vor allem, wenn schon kariöse Zähne diagnostiziert wurden. Nehmen Sie die Anliegen der Eltern ernst – und klären Sie von Anfang an gezielt auf (Zeitpunkt des Zahndurchbruchs, Zahnungsbeschwerden, Auswirkungen eines Beruhigungssaugers, tägliche Mundhygiene und sinnvolle Hilfsmittel dafür, Fluoridieren und Auswirkungen der Ernährung). Hilfreich ist ein praxisinterner Anamnesebogen, der essenzielle Eckdaten ohne großen Zeitauf- wand abgreift. Eruieren Sie im Erstgespräch, ob Erkrankungen vorhanden sind, welche Medikamente eingenommen werden, wel- che Habits vorhanden sind und ob Allergien bestehen. Wichtig ist, in dem Zusammenhang zu er- wähnen, dass nicht nur eine vermehrte Mundatmung, sondern auch Allergiepräpa- rate (zum Beispiel Schüssler Salze oder Glo- buli) eine Xerostomie begünstigen können und dadurch das Kariesrisiko signifikant erhöhen. Fragen Sie nach Ernährungs- gewohnheiten. Die seit einiger Zeit so beliebten Smoothies (in den praktischen Quetschie-Tetrapaks) haben den gravieren- den Nachteil, dass das Obstmus eine saure Komponente besitzt und dadurch den ph- Wert negativ beeinflusst. Machen Sie un- missverständlich klar, dass gerade Kinder- gartenkinder einer besonders fürsorglichen häuslichen Mundpflege bedürfen. Diese Fürsorge ist Aufgabe der Eltern – ein unum- stößlicher Erziehungsauftrag, der aus drei Komponenten besteht: kindgerechte Mund- hygiene, Ernährung und Fluoridieren. Die 1-kg-Haribo-Box gehört nicht ins Kinderzimmer! Zum Putzen: Eltern fungieren als Vorbilder, aber auch als das ausführende Organ. Üben, üben und üben ist das Motto. Und die Eltern müssen putzen, putzen und putzen. Jeden Tag, jeden Abend. Kleine Kinder sind manuell reduziert: Sie sind entwicklungs- technisch nicht in der Lage, selbst richtig zu putzen, auch wenn sie sich in vielerlei Hinsicht groß und selbstständig fühlen. Oft hört man Zweijährige stolz verkünden: „Ich kann das!“ Einen Löffel am Esstisch halten, oder die Socken selbst anziehen – das kön- nen die meisten in dem Alter schon prima. Aber wenn es um die Mundhygiene geht, dann müssen sich Eltern ihrer Verantwor- tung stellen. Wir als Zahnärzte können informieren, motivieren, kontrollieren, behandeln. Aber wir können uns nicht jeden Abend ins häus- liche Badezimmer stellen. Das ist Aufgabe der Eltern – bis die Kinder motorisch so weit sind, es selbst zu tun. Und das ist meist in einem Alter von 8 bis 9 Jahren: Ab dem :Nach der Untersuchung folgt im Gespräch mit den Eltern die Diagnostik. Dabei sollten Sie eindringlich betonen, dass die Fürsorge der Eltern eine kindgerechte Mundhygiene, Ernährung und Fluoridierung einschließt. Foto: Adobe.Stock - milanmarkovic78 51
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