Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 109, Nr. 12, 16.6.2019, (1372) Was unterscheidet die Mundpflege U3 von der Mundpflege bei einem Erwachsenen? Die Pflege des Mundes ist Teil der Körper- pflege eines Kindes von Anfang an. Aus dem Interesse für diesen Bereich des Körpers entwickeln sich Gewohnheit und Selbst- verständlichkeit fürs ganze Leben. „Mundpflege ist etwas Schönes!“ Die Eltern sollen neugierig in den Mund ihres Kindes schauen und fühlen, was sich dort verändert. Durch das Schauen werden Eltern zu Experten (nicht zu Fachleuten!) für ihr Kind. Durch den Vergleich – Wie sah es gestern im Mund aus und wie sieht es heute aus? – erkennen Eltern „Hier stimmt was nicht!” und reagieren automatisch ange- messen. Sie fragen den (Zahn)Arzt um Rat. Auch das Kind profitiert von der Pflegehand- lung seiner Eltern: Deren liebevoller Blick, der Singsang der elterlichen Stimme, das Sprachbad mit seinen positiven Formulie- rungen und das achtsame Fühlen des Kiefer- kamms signalisieren dem zahnlosen Säug- ling „Mundpflege ist etwas Schönes!”. Was sehen Eltern und was kann/sollte das Prophylaxeteam den Eltern zeigen? Aus dem weichen und schmalen Kieferkamm wird in den ersten sechs Wochen eine breite und harte Zahnleiste, die Milchzahnkronen sind deutlich als Wölbungen zu erkennen. Im Unterkiefer bilden sich kleine Schlitze, durch die die Zähne sich schieben. „Hurra, ich bin da!” heißt das Faltblatt (Abbildung 1), das man den Eltern nach dem „Begreifen“ der Zähne ihres Kindes mit nach Hause geben kann. Auf YouTube finden Eltern auf dem Zahnputz-Zauber- kanal kurze Videosequenzen, die ihnen er- möglichen, das Gelernte zu Hause in aller Ruhe nochmals anzuschauen. Ob sich Eltern mit einem sauber gewaschenen Finger im Kindermund wohl fühlen oder ihren Finger lieber mit einer Mullwindel oder einem Fingerling schützen, sollte den Eltern zur Auswahl gestellt werden. Lift the lip! Das Lippen- bändchen anschauen! Das Anschauen des Oberkieferlippenbänd- chens ist Pflicht (Abbildung 2). Zum einen lernen die Eltern so das Hoch- beziehungs- weise Wegschieben der Lippen (Abbildung 2), damit sie die Zähne, die sie später putzen sollen, sehen können. Nur unter Sicht können Eltern den Zahnbelag am Zahnfleischrand und später in den Zahnzwischenräumen be- seitigen. Zum anderen soll sich das Kind an das Hochschieben gewöhnt haben, bevor der erste Zahn im Kindermund erscheint. Ist das Lippenbändchen stark ausgeprägt, verläuft es breit und fleischig bis zur Papilla incisiva hin, dürfen die Eltern nicht horizon- tal mit der Zahnbürste über die zarte, emp- findliche Schleimhaut schrubben. Sie müs- sen dann die Milchfrontzähne einmal von rechts und einmal von links getrennt reini- gen. Die Plaque muss nur gelockert werden! Eltern, die es besonders gut machen wollen, neigen oft zu zu viel Druck. Beides ist dem Kind unangenehm. Brechen die Milchzähne hinter dem breitflächigen Lippenbändchen durch, ist das Kariesrisiko höher, weil es für die Eltern schwieriger ist, den Zahnfleisch- rand zu erreichen. Trotz der Zahnpflege durch die Eltern können kariöse Läsionen entstehen (Abbildung 3). Noch bevor der erste Zahn im Kindermund erscheint, soll das Kind selbst mit einer Zahnbürste oder einem Beißring mit inte- griertem Zahnbürstenkopf spielen dürfen. Die Zahnbürste soll in den Mund, bevor der erste Zahn erscheint, denn dann ist das Spiel reine Lust, reines Vergnügen. Kommt zur Zahnbürste der Zahn hinzu, kommt der Zweck / die Funktion der Zahnbürste ins Spiel: Der rein zweckgebundene Einsatz einer Zahnbürste kann beim Kind Abwehr erzeugen. Der spielerische Einsatz der Zahn- Abbildung 1: Das Faltblatt „Hurra, ich bin da!“ der LAGH informiert Eltern mit der Geburt ihres Kindes über die Mundpflege. Abbildung 2: Das Anschauen des Lippen- bändchens durch die Eltern ist Pflicht, siehe Faltblatt „Eltern putzen Kinderzähne sauber“, LAGH. Abbildung 3: Wenn die Eltern die Oberkiefer- frontzähne 51 und 61 aufgrund eines aus- geprägten Lippenbändchens nicht einzeln putzen, wird die Plaque nur insuffizient entfernt – und es kann trotz Zahnpflege zu kariösen Läsionen kommen. 54 Neue Ära in der Prophylaxe

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